Rezension

Fesselnder Politthriller

Zwei Sekunden - Christian V. Ditfurth

Zwei Sekunden
von Christian v. Ditfurth

Bewertet mit 5 Sternen

„...Der Präsident hat mindestens zwei Millionen Feinde. Und wenn du mich fragst, hat er sich jeden mit ehrlicher Arbeit verdient..."

 

Die Kanzlerin und der russische Präsident sind vom Flughafen auf den Weg ins Kanzleramt. In Gedanken gehen die Sicherheitsleute nochmals die Planung durch. Es wurde an alles gedacht. Wirklich? Zwei Sekunden genügen, dann ist nichts mehr, wie es war. Es hat dann Wagen hinter der Bundeskanzlerin und dem Präsidenten getroffen. Drei Personen sind tot.

Der Autor hat einen fesselnden Politthriller geschrieben. Die Geschichte hat mich gleich in ihren Bann gezogen.

Zwei Männer dominieren das Geschehen. Das ist zum einen Hauptkommissar Eugen de Bodt. Nach seinem letzten Fall legt das Bundeskanzleramt Wert darauf, dass er in der nach dem Anschlag zusammengestellten Taskforce mitarbeitet. Doch de Bodt lehnt ab. Er erreicht, dass er mit zwei seiner Mitarbeiter unabhängig an dem Fall arbeiten darf. De Bodt hat eine eigene Meinung, mag keine Vorgaben und lässt sich in keine Schublade stecken. Das bringt im allerdings im Kommissariat kaum Freunde ein. Krüger, der nun in die Taskforce berufen wird, kann seine Abneigung gegen de Bodt und dessen Sonderrolle nur schlecht verbergen.

Ähnlich wie de Bodt ist der russische Geheimdienstler Konstantin Merkow eher ein Einzelgänger. Auch er steht mancher Reaktion seines Präsidenten kritisch gegenüber, wird das aber nie äußern. Trotzdem nutzt er die Freiräume, die sich ihn eröffnen. Dass er logisch denken kann und Zusammenhänge schnell erfasst, zeigt seine punktgenaue Einschätzung der offiziellen Taskforce. Kompetenzgerangel und Inaktivität zeichnen sie aus.

Doch nicht nur der hohe Spannungsbogen sorgt für ein Lesevergnügen. Auch der gekonnte Schriftstil des Autors hat mich begeistert. Schon obiges Zitat weist auf die im Buch enthaltene Ironie hin. Solche Spitzen gegenüber der Politik und ihren Vertretern gibt es mehrere. Das ist aber nur eine der vielen Seiten. Gut gestaltete Gespräche gehören des weiteren dazu. Während in der Taskforce knallharter Schlagabtausch dominiert, vermag es de Bodt, seine Mitarbeiter durch kleine Impulse zum Nachdenken zu bringen. Mir gefallen die an passender Stelle eingefügten Zitate bekannter Philosophen. Sprachlicher Leckerbissen sind auch die wenigen Treffen von de Bodt und Merkow. Beide ahnen, dass sei ähnlich ticken, bleiben aber auf Distanz. Während in de Bodts Gruppe Nachdenklichkeit und sachliche Arbeit vorherrscht und versucht wird, sich in das Wesen der Täter und ihre Motive ein zu denken, versuchen es andere mit blinden Aktionismus. Natürlich gibt es die üblichen Verdächtigen. Doch nichts scheint zusammenzupassen. Worin liegt das Motiv? Die Täter haben minutiös geplant und sind dabei ungewöhnliche Wege gegangen. Ihr einziger Fehler war, dass sie das falsche Auto erwischt haben. Der Gedanke lässt de Bodt nicht los. De Bodt ist kein einfacher Chef. Er fordert seine Mitarbeiter, ist aber auch bereit, selbst Risiken einzugehen. Karrieredenken ist ihm fremd. Das unterscheidet ihn wohltuend von Krüger. Er nimmt nicht nur seine Mitarbeiter sondern auch mich als Leser gedanklich mit. Gekonnte Fragestellungen gehören zu seinen besonderen Begabungen und ermöglichen mir, das Geschehen reflektieren zu lassen und mir gegebenenfalls eine eigene Meinung zu bilden. Dadurch bin ich gedanklich in die Handlung eingebunden.

Korruption und Bestechlichkeit, Machtbestreben und Ineffektivität durchziehen die Geschichte. Die Täter haben einen Informant bei der Polizei. Es ist ungewöhnlich, dass ich als Leser sehr zeitig dessen Namen und dessen Motivation erfahre, gibt der Handlung aber eine neue Facette. Ab und an kommen die Hintermänner der Anschläge zu Wort. Sie verraten mir, was sie planen, lassen aber ihr Motiv im Dunklen.

Das dunkle Cover mit den einen Spalt geöffneten Rollo passt zur Handlung.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Ich mag Ermittler mit Ecken und Kanten. Die Verknüpfung von spannender Handlung, persönlichen Reflexionen der Ermittler und politischen Hintergrundinformationen gibt der Geschichte sein besonderes Flair.