Rezension

Figuren der Weltliteratur aus einer psychologischen Warte betrachtet

Monster auf der Couch -

Monster auf der Couch
von Mats Strandberg

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt: Es ist Dr. Jekyll, Carmilla, Dorian Gray und der Familie Frankenstein gelungen, durch die Zeit zu reisen. Hier, in der Gegenwart, begeben sie sich in die Praxis der Psychotherapeutin J. B., wo sie auf Hilfe bei ihren persönlichen Problemen hoffen. Doch nach einigen Sitzungen verschwindet J. B. spurlos.  Zurück bleiben nur die Akten, die sie über ihre Patienten geführt hat. Geben diese einen Hinweis darauf, was mit J. B. passiert ist?

Persönliche Meinung: In „Monster auf der Couch“ von Jenny Jägerfeld und Mats Strandberg begeben sich literarische Figuren der Schauerliteratur (im weiteren Sinne) in psychotherapeutische Behandlung. So trifft die Psychotherapeutin J. B. auf Dr. Jekyll und sein Alter Ego Mr. Hyde, die Familie Frankenstein (bestehend aus Dr. Frankenstein, dem „Monster“ und Elizabeth Lavenza), Dorian Gray und die Vampirin Carmilla und deren Freundin Laura (aus der Novelle „Carmilla“ von Joseph Sheridan Le Fanu). „Monster auf der Couch“ besitzt keine kontinuierliche Handlung: Jeder der vier Fälle wird in einer eigenen Akte dargestellt. Hierbei wird das Prinzip der literarischen Montage benutzt: Jede Akte setzt sich aus unterschiedlichen Schriftstücken wie Transkriptionen der Sitzungen, Bildern, E-Mails, Zeitungsausschnitten oder Auszügen aus anderen Büchern zusammen. Den größten Raum nehmen dabei die Transkriptionen der Sitzungen ein, die sich wie Interviews lesen. Demnach existiert innerhalb des Buches auch keine übergeordnete Erzählinstanz. Spannend ist, dass jeder Fall anders behandelt wird. Während es sich bei Dr. Jekyll/Mr. Hyde und Dorian Gray jeweils um Einzeltherapien handelt, wird bei den „Frankensteins“ eine Familientherapie durchgeführt. Bei Carmilla und Laura hingegen wird eine Paartherapie angeboten. In jeder der vier Therapien untersucht J. B. die psychischen Auffälligkeiten der Patienten und kategorisiert diese nach dem heutigen psychologischen Wissensstand. Um nur ein Beispiel zu nennen: Bei Dorian Gray diagnostiziert J. B. eine narzisstische Persönlichkeitsstörung. Daher werden innerhalb des Buches auch einige psychoanalytische Theorien/Modelle (wie bspw. das Freud’sche Instanzenmodell mit Es, Ich und Über-Ich) diskutiert. Spannend ist hierbei auch, wie die Welten der literarischen Figuren, die im 19. Jahrhundert leben, mit der Welt der Therapeutin (Gegenwart) aufeinandertreffen: Verhaltensmuster, die in der Vergangenheit (fälschlicherweise) pathologisiert worden sind, sind es heute nicht mehr, weshalb es zwischen J. B. und ihren Patienten jeweils zu einem Kulturclash kommt. Das Buch endet mit einem überraschenden Twist, der das Verschwinden von J. B. auflöst (Der Klappentext suggeriert, dass man bei der Aufklärung miträtseln kann. Das ist aber eher weniger der Fall). Das Buch ist sehr abwechslungsreich und detailliert gestaltet: Jede Akte setzt sich aus anderen Schriftstücken zusammen, die Schriftstücke besitzen unterschiedliche Layouts und teilweise finden sich kurze handschriftliche Notizen, Fotografien o.Ä. Insgesamt ist „Monster auf der Couch“ ein schön gestaltetes Buch, in dem Figuren der Weltliteratur aus einer psychologischen Warte betrachtet werden.