Rezension

Schwieriger Kandidat in toller Aufmachung

Monster auf der Couch -

Monster auf der Couch
von Mats Strandberg

Bewertet mit 3 Sternen

Es ist mir bisher selten schwergefallen, eine Buchrezension zu verfassen – hier ist es nun (leider) doch soweit, dabei haben beide Autoren, Jenny Jägerfeld -> Psychologin und Mats Strandberg -> Autor und freier Journalist, das Potenzial, etwas ungewöhnlich-besonderes aus dieser interessanten Idee zu machen…

Um was geht es in „Monster auf der Couch?“ Schwer zu beschreiben, ohne zu viel  von der Geschichte zu erzählen – ein richtiger Roman, wie man es erwarten mag, kommt mit den Monstern nämlich nicht daher. Auch das Verschwinden der Psychologin ist anders, als es auf den ersten Blick erscheinen mag und einige Fragen oder Anliegen bleiben für den Leser bzw. für mich unbeantwortet. Auf jeden Fall sollte man der Psychologie und längeren Gesprächen aufgeschlossen gegenüberstehen, denn Action oder Krimieinflüsse sucht man hier vergebens. Wirkliche Ermittlungsarbeit, wie ich anfangs gedacht hatte (wahrscheinlich gucke ich doch zu viel C.S.I. oder Medical Detectives) konnte ich für mich nicht ausmachen.

Die Hauptprotagonistin J ist Psychologin, die seit einiger Zeit eine ungewöhnliche Klientel empfängt – vier bekannte Schauerfiguren aus dem viktorianischen Zeitalter  und mal ehrlich, wer würde nicht gerne mal mit Dr. Jekyll, Victor Frankenstein + seinem erschaffenen Wesen oder einer Vampirin ein paar Gedanken bei Tee und Butterplätzchen austauschen? Dorian Gray hingegen ist eher ein - nun, wer das Original von Oscar Wilde kennt, kann sich in etwa vorstellen, was da für ein Individuum auf der Couch Platz nehmen wird. Zum Glück fand sich dieser Patient als letzter in der Praxis ein, Mr. Gray hat nämlich ein großes Talent, den vorhandenen Lesefluss etwas auszubremsen. Trotzdem musste ich immer wieder schmunzeln, da sich manches Gespräch der anderen Patienten nicht immer in die gewünschte Richtung entwickelt oder Ansichten über Generationen einfach verändert haben - ca. 150-200 Jahre kulturelle und gesellschaftliche Unterschiede machen sich doch irgendwann irgendwo bemerkbar. 

Man mag sich berechtigterweise fragen, wie denn die Patienten aus der Vergangenheit zu ihr in die Praxis gekommen sind, aber mal ehrlich, wer fragt denn bei diesen Patienten nach dem „wie“? Richtig, ich auch nicht.

Stattdessen taucht man pro Kapitel, eins für jeden Patient, in jeweils mehreren Sitzungen immer mehr in die Psyche von J´s Patienten ein. Durch das ständige Aufarbeiten der Vergangenheit der Protagonisten, wirft man auch mal einen Blick in das eigene Innere – bin ich wirklich ICH oder doch eher DAS, was andere von mir erwarten? Muss/kann ich mich selbst reflektieren oder verschwindet meine Aura eh im Instagram-Wahn…? Definition „Monster“ – Ansichtssache, denn jeder Mensch ist anders und hat eine eigene (Werte)-Vorstellung davon, was für ihn monströs ist.

Das Buch wird ein bisschen zum Mit-Mach-Buch – der Aufbau gliedert sich in diverse Gesprächsprotokolle mit dem jeweiligen Patienten; persönliche, von Hand geschriebene (Rand)-Notizen von J; Schriftverkehr in Form von diversen Emails mit einer Kollegin; Zeitungsartikel und Kopien von Fachartikeln zu div. Persönlichkeitsstörungen. Auch findet man zu Beginn jeder Patientenakte eine sehr schöne und ästhetische Bleistift-Zeichnung der vorstelligen Akteure, verschiedene Skizzen runden das Gesamtbild ab. Man möchte sich gleich zum Rätsellösen ins Geschehen werfen und herausfinden, was passiert ist. Visuell ist das Buch eine Besonderheit, ein ungewöhnliches Innenleben mit vielen spannenden Details und das Cover bietet durch seinen Materialmix ein interessantes in-der-Hand-liegen.

Unterm Strich habe ich mich sehr auf das Buch gefreut und bin von der Aufmachung total begeistert – ein schönes Stück, das auch einfach mal zum Durchblättern einlädt, denn Kunst kommt von können. Inhaltlich kommt das Gelesene nicht an die Erwartungen heran, was ich sehr schade finde, denn die Grundidee ist einfach super! Dennoch wird das Buch einen schönen Platz in meinem Regal bekommen und vielleicht eröffne ich noch einmal eine erneute Leserunde.