Rezension

Gefangen zwischen Mensch und Wolf und Leben und Tod

Solange du bei uns bist - Jodi Picoult

Solange du bei uns bist
von Jodi Picoult

Bewertet mit 5 Sternen

Luke Warren ist ein Wolfsmensch. Er hat in einem Naturpark in den USA sein eigenes Rudel, das ihn als Lehrer akzeptiert und dem er die Wildnis lehrt, die ihnen in der sicheren Gefangenschaft entgeht. Dazu hat er zwei Jahre lang in den Wäldern Kanadas verbracht und sich dort einem wilden Wolfsrudel angeschlossen, das ihn schließlich als Mitglied aufgenommen hat.

Die Kehrseite und das Opfer dieses wilden Lebens ist sein "anderes Leben" als Ehemann und Vater zweier Kinder. Die Familie steht stets hinter den Wölfen zurück und zerbricht irgendwann daran. Der Sohn verschwindet mit 18 nach Thailand, die Eltern trennen sich, die Mutter gründet eine neue Familie und die Tochter lebt zwischen den Fronten, bis sie sich trotz verschiedener Entbehrungen für ein Leben bei ihrem Vater entscheidet. 

Sechs Jahre später verunglücken Vater und Tochter mit dem Auto. Sie überlebt mit einer schweren Schulterverletzung, er liegt fortan mit diversen Hirnblutungen und einem Schädel-Hirn-Trauma im Koma und ist ohne lebenserhaltende Maschinen nicht lebensfähig. 

Der Sohn wird geholt und die Familie zwangsweise erneut zusammengeführt.
Wer soll nun entscheiden, was mit dem Vater passiert, dessen Zukunft laut der Ärzte im besten und unwahrscheinlichsten Fall als Pflegefall mehr als düster aussieht?
Die geschiedene Frau hat keinerlei Entscheidungsbefugnis, bleiben also die minderjährige und emotional sehr stark in den Fall involvierte Tochter und der verlorene Sohn, der die letzten 6 Jahre keinen Kontakt zum Vater hatte...und diese beiden haben sehr unterschiedliche Vorstellungen von dem, was im Sinne des Vaters gewesen wäre...ein Gericht muss folglich entscheiden und im Zuge der Verhandlung kommen sehr viele ungeahnte Dinge and Tageslicht.

Ich habe das Buch verschlungen. Ich bin aber auch ein ausgesprochener Fan der Autorin mit ihrem einzigartigen multiperspektivischen Schreibstil. Ich bin kein Tierforscher und ich mag  Hunde nicht besonders, von Wölfen ganz zu schweigen, dennoch hat mich das Buch für die Tiere interessiert und für sie eingenommen. Ich konnte die Sichtweise von Luke nachvollziehen und seine Motive ansatzweise verstehen. Ich fand es toll, die verschiedenen Blickwinkel ausgeleuchtet zu bekommen, die der Geschichte wie bei einem Puzzle zunehmend Form und Gestalt verliehen. Der juristische Fall hinsichtlich der Vormundschaft hat mich sehr nachdenklich gestimmt und mir nicht zum ersten Mal die Bedeutung eines Organspendeausweises sowie einer Patientenverfügung vergegenwärtigt. Ich möchte nicht, dass über meinen Willen gestritten und verhandelt wird, wenn ich ihn nicht mehr zu äußern in der Lage bin.

Das Buch ist außerordentlich gut recherchiert und deckt schonungslos alle Facetten der Folgen auf, die ein solch außergewöhnlicher Mensch wie Luke Warren (bzw. sein reales Vorbild Shaun Ellis) mit seinem Leben sich und seiner Umwelt aufbürdet. 

Eine ganz klare Leseempfehlung ohne Wenn und Aber!