Rezension

Gegen den Strom

Willkommen im Meer
von Kai-Eric Fitzner

Dieses Buch hat eine Vorgeschichte, die man rührselig finden kann, es ist aber gleichzeitig auch der Beweis dafür, dass es Texte gibt, die zunächst von einer Reihe von Verlagen abgelehnt wurden, aber dann doch zu einer Erfolgsgeschichte werden. Oder vielleicht auch zu zwei Erfolgsgeschichten.
Die erste:
Als der Autor Kai-Eric Fitzner mit 45 Jahren einen schweren Schlaganfall erleidet und die mehrköpfige Familie nicht weiß, wie sie ohne finanzielle Reserven das weitere Leben gestalten kann, bittet Fitzners Ehefrau via Facebook die Netzgemeinde um den Erwerb dieses im Zuge von Self-Publishing veröffentlichten Buches. Die Reaktionen sind überwältigend.
Die zweite:
Seit August ist dieser Titel nun auch als Knaur Taschenbuch erschienen und daran, dass der Verlag das Autorenhonorar im Gegensatz zu vergleichbaren Titel verdreifacht hat, mag man sehen wie sehr die Familie weiterhin auf diese Einnahmen angewiesen zu sein scheint. Möge der Verkauf jetzt über den Buchhandel also auch gut und zahlreich laufen.

Hauptfigur dieser Geschichte ist Tim Schäfer, Gymnasiallehrer und gerade der drohenden Arbeitslosigkeit durch eine Anstellung an einem altsprachlichen Gymnasium in Oldenburg entronnen.
Er findet sich in schulischen Strukturen und einem Kollegium wieder, für die das Wort verkrustet noch fast geschmeichelt klingt. Gleiches gilt für weite Teile der Elternschaft. Eine Ausnahme ist hier lediglich der Schulleiter, deraber von seinem Stellvertreter immer wieder in den Hintergrund gedrängt wird. 
So ist eigentlich vorprogrammiert, dass hier ganz schnell Fronten entstehen und man diesen unliebsamen Zeitgenossen entweder in eigene Denkmuster einfangen oder ihn von der Schule schnell wieder entfernen möchte. Dabei agiert er aber im Rahmen konkreter Gespräche stets klug und zurückhalten und fest auf einer Sachebene verankert. Er entzieht seinen Gegnern damit jede reale Angriffsfläche und hält somit vor allem die Schüler auf seiner Seite. Ist er doch einer der wenigen Lehrer, die nicht Lehrbuchweisheiten abspulen, sondern bemüht ist, die Schüler zu eingeständigem Denken, der Reflektion und ständigem Hinterfragen anleitet.
Vor diesem Bühnenbild entsteht ein lebhafter und stellenweise sehr kurzweilig zu lesender Roman, der leider auch an manchen Stellen von vielem ein wenig zu viel hat. Tim Schäfer ist und bleibt ein Gutmensch und Weltverbesserer, der durch seine familiären Verbindungen viel Geld und damit viel Einfluss hinter sich hat. Nur dadurch ist er in der Lage, seine Visionen für eine neue Gesellschaft zumindest zum Teil zu verwirklichen.

Unterhaltsam zu lesen und mit einigen klugen Gedanken durchsetzt, dies es durchaus schaffen, die eigenen Denkmuster einmal mehr zu hinterfragen.

Mein Fazit: Längst nicht so schlimm wie manches im Self-Pulishing-Bereich, aber um ein „gutes“ Buch zu werden, hätte es konzentrierter gemeinsamer Arbeit zwischen Autor und Lektor bedurft. Leider war und ist das aufgrund der persönlichen Umstände nicht möglich und so kann man diesem Text auch trotz gewisser Schwächen nur hohe Verkaufszahlen wünschen.