Rezension

Geistreich und witzig

Drifter -

Drifter
von Ulrike Sterblich

Bewertet mit 5 Sternen

Wenzel Zahn arbeitet bei einem TV-Sender und moderiert dessen social Media Kanal. Seit Gesine sich von ihm getrennt hat, weil sie einen erfolgreichen Skiabfahrtsläufer bevorzugt, fühlt sein Herz sich wund an. Sein bester Freund Killer (Herr Killmann) steht so dicht an der Beförderung in der PR-Firma, dass er es mit Wenz Krachen lassen will. Sie fahren zur Pferderennbahn, setzen ein paar Kröten, quatschen ein paar Mietzen an und zischen Quasselwasser. 

Als eine riesige dunkelbunte Wolkenformation über sie hinwegfegt, staunen sie noch ehrfürchtig. Das Rennen wird abgeblasen, die Zuschauer verlassen die Ränge, Killer und Wenzel bleiben allein. Trotz Regen hüpft Killer übermütig auf die Bahn und galoppiert ein Stück, gerade so lange, bis er von einem Blitz getroffen wird, durch die Luft schleudert und hart aufschlägt. Wenz begleitet ihn ins Krankenhaus, wo er kurz zur Beobachtung bleibt, um dann mit kleineren Blessuren und leichten Herzrhythmusstörungen entlassen wird. 

Was hat die große Frau in der S-Bahn, mit dem goldenen Kleid, dem Silberblick und dem riesigen zotteligen Hund, die zu allem Überfluss, das neuste Buch von Wenz Lieblingsautor “Drifter” liest, mit all dem zu tun?

Seit der Blitzattacke hört sein Freund seltsame Geräusche. “Ein Tinnitus?”

Nein dieses rhythmische Pusten, dieses Gurgeln, als ob drei bis vier Leute a cappella was mit kleinen Pustegeräuschen machen und zwischendrin schnalzen. S. 52

Und abgesehen davon, dass Killer jetzt zunehmend den Duft von Orangen wahrnimmt, sind das nicht die einzigen Merkwürdigkeiten. Er macht Dinge, die er zu Zeiten des alten Killers niemals getan hätte, zerstört mutwillig sein Handy, zeigt sich überfordert, wenn die Nachrichten von Krieg sprechen, zieht wieder zu seiner Mutter und gibt seinen J-O-B auf. 

So, dachte ich, jetzt ist es amtlich. Bei Killer hatte sich was verschoben. Es ist nicht so, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank. Aber er hat das Geschirr neu sortiert. S. 74

Die große Frau aus der S-Bahn breitet sich in Wenz Leben aus. Wenz erfährt alles und doch nichts über sie, die stets begleitet wird von Hurtebise, ihrem Chauffeur, der schrillen Jez und dem riesigen Hund, der tanzen kann. 

Fazit: Die Geschichte ist voller geistreicher witziger Passagen. Ich erfahre auf eine unaufdringliche Art, dass es im Leben wichtigeres gibt, als Perfektion, dass Geld allein auch nicht glücklich macht und dass wir den Menschen, die uns wichtig sind, mit Toleranz begegnen sollten, gerade wenn sie neue Wege gehen. Der Roman ist Fun Fiction, eine bunte Mischung, voller unerwarteter Wendungen. Leider ist es nicht mein Genre, weil es so realitätsfremd ist. Das ist aber einfach eine Frage des Geschmacks, deshalb will ich es nicht in meine Bewertung einfließen lassen. Wegen der Idee, der Technik und des Wortwitzes gebe ich die volle Punktzahl. Drifter steht zurecht auf der Shortlist des deutschen Buchpreises 2023.