Rezension

Gestörte Familienidylle und Möchtegern-Playboy

Erben auf Italienisch - Piersandro Pallavicini

Erben auf Italienisch
von Piersandro Pallavicini

Bewertet mit 4 Sternen

Mit etwas schwierigem Einstieg habe ich diese kreischend laute, schrille, skurrile und tragikomische italienische Familienkomödie mit großem Vergnügen gelesen und am Ende des Buches sogar ein paar einzelne Tränen in den Augenwinkeln gehabt. 

Der neureiche und steinalte Mailänder Alberto Pampaloni, der in den 60ern ein Vermögen mit Schmierkäse gemacht hat, ist despotisches Familienoberhaupt und ruft zum Familientreffen in der futuristischen Sommervilla. Seine Familie ( oder was davon übrig geblieben ist ) besteht aus dem schmierigen, geizigen und verwöhntem Sohn Rogoredo nebst blasser englischer Frau und Söhnen sowie der devoten Tochter Carla, die mit ihrer besten Freundin Paola und ihrem Muttersöhnchen Massimo auftaucht. Es gilt, das Erbe des Lebemannes und Möchtegern-Playboys Alberto unter den Kindern aufzuteilen. 

Die Geschichte ist in der Ich-Form von Carla erzählt, die gemeinsam mit ihrer Freundin Paola von Hitzewallungen und Emotionsschwankungen infolge Klimakterium gebeutelt ist. Durch Rückblenden aus ihrer Sicht erzählt erfährt man von derben und bösartigen Streichen, die neben der cineastischen Leidenschaft als Filmproduzent und dem Hang zur HighSociety einen wichtigen Wesenszug des 80jährigen Alberto darstellen. Carla spielt von Kindheit an in der Familie die zweite Geige hinter dem faulen und verwöhntem Bruder und gab sich widerspruchslos mit dem Krumen zufrieden, die ihr der Vater zuwarf, in ihrem Job als Professorin steht sie zusammen mit ihrer Freundin Paola trotz hervorragender Leistungen an der Fakultät weit hinter den männlichen Kollegen und ihr Ehemann befasst sich lieber mit den Freuden eines Teilchenbeschleunigers als mit ihr. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin Paola, die sich von ihrer Umwelt (besonders vom Scherzbold Alberto) derbe Späße bezüglich ihres Aussehens gefallen lassen muss, flüchtet sich Carla als junges Mädchen in die Welt des Progrock, mit Jethro Tull und Peter Gabriel in London zu Beginn der 80er hoffnungslos der Zeit hinterherhinkend. 
Am Ende des Buches tritt Alfonso playboymäßig und filmreif ab und für Carla wendet sich das Blatt. 

Alle Figuren sind im komödiantischen Stil sehr überspitzt dargestellt, angefangen von der als unterwürfige Tochter gezeigten Carla, ihrem großspurigem, egoistischem und an einen englischen Lord erinnernden Bruder mit seiner sonnenempfindlichen Frau, der fast hündischen Freundin Paola und dem exzentrischen, despotischen, lauten und derben Familienoberhaupt Alfredo. Ich hatte damit anfangs einige Schwierigkeiten, weil neben den völlig überzogenen Figuren manche Dinge bis nahe an die Penedranz ausgereizt sind, so das Klimakterium von Carla und Paola oder der landestypische Dialekt. Doch nach einigen wenigen Kapiteln hatte mich das Buch gepackt und ich hatte viel Vergnügen beim Lesen. Am Ende des Buches war ich vollends versöhnt, die Geschichte nimmt überraschende Wendungen und - typisch italienisch - gibt es etwas Schmalz an unerwarteter Stelle zum Schluss. 

Mein Fazit: Ein teils derb-humoristisches Lesevergnügen, das man sich nach ein paar anfänglich verwirrenden Seiten nicht entgehen lassen sollte.