Rezension

Großartige Abenteuergeschichte

Die Mississippi-Bande - Davide Morosinotto

Die Mississippi-Bande
von Davide Morosinotto

Bewertet mit 5 Sternen

In dieses spannende Abenteuer einer Kinderbande per Einbaum, Dampfer und Eisenbahn plumpst man als Leser sofort mitten hinein. Erzähler der Handlung aus dem Jahr 1904 sind die Bandenmitglieder Te Trois, der eigentlich Peter Chevalier heisst, Eddie und Julie. Auch der kleine Tit, der anfangs kaum spricht, kommt am Ende noch zu Wort. Die Kinder leben im Mississippi-Delta tief im Süden der USA, am Rand des Bayous, eines Flussarms, der einen Sumpf durchquert. Gerade haben sie gemeinsam aus einem Zypressenstamm einen Einbaum konstruiert, mit dem sie Orte im Sumpf erreichen können, die keine Verbindung zum Festland haben. Ihre geheime Hütte kann nur per Boot erreicht werde, so dass die Kinder hier sicher vor neugierigen Erwachsenen sind. Beim Angeln zieht Te Trois eine löcherige Blechbüchse mit drei Dollarmünzen aus dem Sumpf. Der Betrag muss damals ein kleines Vermögen gewesen sein; ein Fahrrad würde 7$ kosten. Um ihren unerwarteten Reichtum sinnvoll anzulegen, wird der 2000 Seiten dicke Versandkatalog von Walker & Dawn gewälzt. Die Schwarte bietet ein Universum von Dingen an, die im Bayou noch kaum jemand gesehen hat. Die verrückte Idee, bei Walker & Dawn per Post einen Revolver zu bestellen, hat unerwartete Folgen. Statt des Revolvers kommt eine defekte Taschenuhr an, auf die schon kurz darauf ein Fremder scharf zu sein scheint. Im Gegensatz zu den Kindern kennt der angebliche Jack sich im Sumpf nicht aus und wird von einem Alligator getötet.

Mit dem Vermögen aus seinem Gepäck macht sich die Vierer-Bande auf in Richtung Norden, um bei Walker & Dawn in Chicago die Verwechslung aufzuklären und die ausgelobte Belohnung für die wertvolle Uhr zu kassieren. Heimlich - damit sie nicht von den Eltern erwischt und zu Jahrzehnten Hausarrest verknackt werden - legen die Vier im Einbaum ab zu ihrer über 1000 Meilen langen Reise in den Norden. Eddie rudert und Te Trois übernimmt vom Kommandoplatz am Heck die Führung. Unterschiedlicher als die Bandenmitglieder könnten Kinder nicht sein. Eddie, der einzige Brillenträger im ganzen Bayou, hat sich von einem Medizinmann der Choctaw in die Geheimnisse der Natur einweisen lassen und verfügt über ein feines Gehör für Dinge, die andere Menschen leicht überhören. Te Trois ist so couragiert wie ahnungslos von der Welt außerhalb seiner Heimat. Julie hat nur schlechte Erfahrungen mit anderen Menschen gemacht. Ihre Mutter wurde von der Dorfgemeinschaft und vermutlich dem Ku-Klux-Klan vertrieben, weil sie ein Kind von einem Schwarzen bekommen hat (Tit). Dieser winzige Bruder verfügt über eine Sonderbegabung, ohne die die Geschichte nicht möglich gewesen wäre.

Weiter geht es per Mississippi-Dampfer und schließlich mit der Bahn bis Chicago. Die sonderbare Verwechslung des Revolvers entpuppt sich als Teil eines Kriminalfalls mit zwei Toten. Opfer sind die Inhaberin des Versandhauses und ihr Mörder.

In kurzen Kapiteln, illustriert im Vintage-Stil mit Landkarten, Stadtplänen, Zeitungsausschnitten und Schiffstickets, erzählt Davide Morosinotto vom Abenteuer einer Kinderbande. Wie die Kinder sich durchschlagen und zwischen guten und schlechten Ratgebern zu unterscheiden lernen, liest sich spannend und absolut erfrischend. Vergleiche mit Tom Sawyer sollten sparsam eingesetzt werden, weil viele Leser von einem Buch dann genau die Emotionen erwarten, die der Klassiker früher bei ihnen ausgelöst hat. Als Abenteuergeschichte finde ich das Buch großartig, wenn ich auch leicht skeptisch bin, ob die Entstehung des Versandhandels Zehnjährige nun brennend interessiert.