Rezension

Halbwitwe

Ehemänner - Jami Attenberg

Ehemänner
von Jami Attenberg

Bewertet mit 4 Sternen

Mit „Ehemänner“ legt der Schöffling Verlag ein schon 2007 im Original veröffentlichtes Buch der Autorin Jami Attenberg vor. Es erzählt von Jarvis, deren Mann nach einem Unfall im Wachkoma liegt. Sechs lange Jahre besteht ihr Leben aus Warten. Erst auf ein Wunder und später auf ein Ende. Sechs Jahre lang zieht sie sich von der Welt zurück, besteht die Woche aus dem Besuch bei Martin und dem Warten auf den nächsten Besuch. Bis die Waschmaschine beschließt, es sei Zeit für einen Neuanfang und den Dienst aufkündigt. Jarvis ist gezwungen, gewohntes Terrain zu verlassen und einen Waschsalon aufzusuchen…

Behutsam und einfühlsam führt uns Jami Attenberg in das Leben und die Welt von Jarvis ein. Erzählt von ihrer großen, unbedingten Liebe zu Martin, der sie aus dem Party- und Drogensumpf zieht und zu seiner Ehefrau macht, für den und durch den sie von da an lebt, bedingungslos und urteilsfrei. Erzählt, wie Jarvis ins Leben zurückfindet und welchen Weg sie dafür zurücklegen muss, welche Entdeckungen und Erkenntnisse sie dabei macht und hat, wie sie ihre Liebe überdenkt, verliert und wieder findet. Erzählt aber vor allem vom Tod und davon, wie jeder einen eigenen Weg finden muss, damit umzugehen.

Jami Attenberg wagt sich hier an ein Tabuthema: Tod, Trauer und Trauerbewältigung. Und sie zeigt Variationen des Umgangs mit dem Abschied: als die Großmutter von Jarvis‘ Freundin Missy stirbt, findet die ganze Familie zu einer gemeinsamen Trauerfeier zusammen und erinnern sich liebevoll an die Verstorbene. Im Gegenzug dazu finden Martins Eltern keinen Absprung, wollen ihren Sohn nicht gehen lassen, können den Gedanken an den endgültigen Abschied nicht ertragen.

„The kept man“ heisst der originale Buchtitel und trifft damit eher den Kern des Ganzen. Denn darum geht es, Martin loszulassen, die Kraft zu finden ihn gehen zu lassen und darum, den richtigen Zeitpunkt zu finden, darum, in der eigenen Trauer einen Weg zu finden auch über Martins mögliche Wünsche nachzudenken.

Es bleiben viele offene Fragen. Wie geht es weiter, was passiert mit Jarvis, was mit den anderen Personen des Buches? Und es bleibt viel Raum für eigene Überlegungen. Was würde ich tun? Kann man sich überhaupt in eine solche Situation versetzen, kann man nachfühlen, mitfühlen? Es ist der Stil des Buches, keine Antworten zu liefern, sondern Möglichkeiten, Denkansätze. Das Buch selbst ist recht schnell gelesen, aber die Gedanken dazu hallen lange nach. Und genau das macht es so lesenswert, all das was zwischen den Zeilen schwebt, das was in den Gedanken des Lesers passiert.