Rezension

Hexen - gibt's die?

Die Hexe von Norderney - Christian Hardinghaus

Die Hexe von Norderney
von Christian Hardinghaus

Bewertet mit 5 Sternen

Carsten Kummer, seines Zeichens Kriminalhauptkommissar in Bremen, wird von seiner Ex-Geliebten Gesa, nach langen Jahren des Schweigens um Hilfe gebeten. Ihre gemeinsame Tochter Merle wurde tot aufgefunden und Gesa glaubt nicht an einen Selbstmord. Kummer, der von der Existenz (s)einer Tochter bislang keine Ahnung hatte, reist nach Norderney, um Erkundigungen einzuholen. Blöderweise kann er sich der erotischen Ausstrahlung Gesas wieder nicht entziehen.

Der ermittelnde Beamte Gerd Rickmer glaubt nicht an Gesas Theorien bis eine weitere junge Frau ermordet aufgefunden wird. Henrieta ist rothaarig wie Gesa und Merle …

Nun ist, wie man so schön sagt, die Kacke am Dampfen, weil es auch die eine oder andere Unaufmerksamkeit während der Ermittlungen gibt. Dem Inselsheriff Ingo Ahlers gelingt es immer wieder die Recherchen zu sabotieren. Haben er oder sein Sohn Hauke mit den Morden zu tun?

Und was ist mit Marcel Kramer, dem sonderbaren Einsiedler und Archivar, der im verfallenen Leuchtturm wohnt?

Über diesen gegenwärtigen Toten schwebt, wie eine dunkle Wolke, die Lebensgeschichte von Dortje Freding, jener rothaarigen Frau, die als Hexe verurteilt, sich 1544 mit einem gewagten Sprung ins offene Meer, dem Feuertod auf dem  Scheiterhaufen entzog.

Meine Meinung:

Der Prolog mit seiner historischen Handlung lässt auf einen komplexen Krimi/Thriller schließen. Die Leser werden hier nicht enttäuscht.

Christian Hardingshaus ist Meister (das passt gut zu den Hexen) der hintergründigen Spannungsliteratur. Nichts ist wie es scheint.

Die verzeifelte, unverstandene Mutter Gesa manipuliert genauso wie der psychopathisch wirkende Dorfsheriff Ingo Ahlers. Dazwischen scheinen Gerd Rickmer und sein Team leicht überfordert. Carsten Kummer, Merles Vater, ist emotional aufgeladen und sollte eigentlich gar nicht ermitteln, denn seine Alleingänge verschlimmern die verworrene Situation nur noch mehr. Doch Rickmer braucht jeden Mann und so steigt die Spannung von Seite zu Seite. Gekonnt führt uns der Autor in die Irre. Er legt heiße Spuren, die dann recht bald erkalten. Der Showdown hat es in sich.

Der schreibstil ist wie gewohnt flüssig und fesselt den Leser von der ersten bis zur letzten Seite.

Durch die genaue Beschreibung der Örtlichkeiten lässt sich die Insel beinahe ohne echte Ortskenntnis durchwandern. Ich konnte förmlich die Wellen rauschen hören und das Salz auf meinen Lippen spüren.

Die Charaktere haben Ecken und Kanten. Besonders die Ermittler sind nicht fehlerlos. Sie wirken mitunter ein wenig überfordert, manchmal ist die Hierarchie nicht ganz klar und so kann sich Chemiker Balthasar Bärlein ein wenig über Gebühr in Szene setzen. Fans von Christian Hardinghaus kennen Bärlein bereits aus „Schlemihls Schatten“. Dort hat er mit seinem aufdringlichen Körpergeruch für Atemlosigkeit gesorgt, hier geht er den Leuten mit seinem überbordenden Deodorantverbrauch auf die Nerven. Ob es im nächsten Fall gelingt, Bärleins olfaktorische Beleidigungen für seine Umgebung, in Zaum zu halten?

Ja, es wird einen bzw. hoffentlich mehrere neue Fälle geben, denn die Figur Carsten Kummer ist als Serienheld ausgelegt. Naja, vielleicht nicht als „Held“ im herkömmlichen Sinn, aber als Ermittler, der sein Schicksalpäckchen mit Bravour schleppt.

Fazit:

Ein fesselnder Serienauftakt, dem ich sehr gerne 5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung gebe.