Rezension

Infinity + 1 = Wunderschönen Lesestoff für Herz und Seele

Unendlich wir - Amy Harmon

Unendlich wir
von Amy Harmon

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt

Manche Ereignisse verändern dein Leben von Grund auf. Das Kennenlernen von Finn Clyde und Bonnie Rae Shelby ist eins davon. Finn taucht gerade noch rechtzeitig auf, um Bonnie davor zu bewahren, von der Brücke zu springen. Finn hat keine Ahnung, was die junge Frau dazu bewogen haben könnte, ihrem Leben ein Ende setzen zu wollen. Aber er ist merkwürdig fasziniert von ihr. Und als sie ihn bittet, sie mit nach Las Vegas zu nehmen, sagt er nicht nein. Es ist dieser Moment, der die nachfolgenden abenteuerlichen Ereignisse in Gang setzt, über die bald das ganze Land spricht: ein gefeierter Country-Pop-Star und ein Ex-Häftling - auf der Flucht vor ihrer Vergangenheit, vor ihrer Gegenwart, vor dem Gesetz. Wir ihre Geschichte genauso tragisch enden wie einst die von Bonnie und Clyde?

Meine Meinung

Jetzt steht es endgültig für mich fest: Amy Harmon gehört jetzt ebenfalls auf die Liste meiner Lieblingsautoren/-innen, denn mit "Unendlich wir" hat sie sich nun endgültig in mein Herz geschrieben. Zwar hat "Unendlich wir" im Vergleich nicht ganz dieselbe Sogwirkung auf mich ausgeübt wie zuvor "Vor uns das Leben", aber trotzdem hat es mir von Anfang bis Ende ein wunderbares Lebeerlebnis beschert.
Dass die Wirkung etwas weniger stark ausgefallen ist, lag aber nicht daran, dass ich die Charaktere nicht mochte oder die Ereigniskette nicht interessant fand. Es hing eher damit zusammen, dass mir die Passagen, in denen es um die Gefühlswelt von Bonnie und Clyde ging, für meinen Geschmack des Öfteren zu melodramatisch formuliert waren. Ich bin eher der "dezente" Typ, d.h. es ist mir lieber, wenn ich mir die Intensität der Gefühle über kleine Gesten, Blicke, Aussagen usw. erschließen muss und sie mir nicht förmlich ins Gesicht geschleudert werden. Mir ist klar, dass nicht jeder diese Präferenz teilt und es entsprechend Leser gibt, die genau diese Passagen lieben (werden). Für mich war es aber ein Störfaktor. Das heißt natürlich nicht, dass ich Bonnie und Clyde als Paar nicht super und ihre Gefühle nicht glaubwürdig gefunden hätte. Ihre Beziehung hat sich zwar ziemlich rasant entwickelt, aber das ist unter den Umständen ihres Kennenlernens und auch aufgrund ihrer ähnlichen Erfahrungen vielleicht nicht ganz so ungewöhnlich. Das Wichtigste ist letztlich wohl, dass sie einander verstehen, wissen, was der andere braucht, und die Schönheit in den Schwächen und Fehlern des anderen sehen. Und das war hier definitiv der Fall (besonders das Wortspiel mit Finns Namen ist einfach zum Dahinschmelzen süß).
Auch als Einzelcharaktere haben sie mir gut gefallen: auf der einen Seite Bonnie als die junge Frau, die ihren Traum lebt und doch unglücklich ist und sich unvollständig fühlt, auf der anderen Seite Clyde, der am unteren Ende der Sozialpyramide steht und dessen Leben ein Scherbenhaufen ist. An Bonnie mochte ich ihre Impulsivität ihre Fähigkeit, Menschen ohne Vorurteile zu begegnen, und ihre Liebe zur Musik, an Finn seine Bodenständigkeit, die beruhigende Wirkung, die er auf Bonnie hat, und seine Liebe zur Mathematik, die ihm das Gefühl von Ordnung in einer chaotischen Welt gibt. Es ist hier wohl die Gegensätzlichkeit der beiden, die den Reiz ausmacht. Einen weiteren Pluspunkt gibt es übrigens auch dafür, dass Finn zwar den Stempel des Exhäftlings aufgedrückt bekommt, aber nicht als Bad Boy dargestellt wird. Ich würde ihn zwar nicht unbedingt als sensibel bezeichnen, aber er ist der umsichtige, nachdenkliche Typ und hat definitiv seine Softie-Momente.
Zum Rest der Geschichte kann ich mich ebenfalls fast nur lobend äußern. Zum einen fand ich die Idee, die Handlung in Anlehnung an die Geschichte von Bonnie Parker und Clyde Barrow zu entwickeln, grandios. Road-Trip-Storys bzw. Geschichten, bei denen man viel unterwegs ist, haben ja immer ihre ganz eigene Dynamik, weil man ständig in Bewegung ist und immer etwas Neues erlebt. Daher wurde es für die beiden Protagonisten und auch für mich als Leserin nicht langweilig (ich habe direkt Lust bekommen, den Film zu schauen). Da die Reise aber eher einer Flucht entsprach, hat die Handlung noch einmal an Tempo und Spannung gewonnen. Hinzu kommen das familiäre und (untrennbar damit verknüpfte) berufliche Drama in Bonnies Leben, Finns kriminelle Vergangenheit, die Trauer der beiden und natürlich die romantischen Gefühle, die ziemlich bald aufkeimen. Die Summe dieser Einzelteile macht diese Geschichte so fesselnd und berührend, nicht zu vergessen natürlich die sprachliche Umsetzung (mit oben erwähnten kleinen Abstrichen). 

Mein Fazit

Erwartet habe ich vom Roman eine toll geschriebene, turbulente, intensive Liebesgeschichte. Bekommen habe ich genau das - aber auch die Geschichte von zwei Seelen, die einen Teil ihrer Selbst verloren haben und mit diesem Verlust zu kämpfen haben. Dadurch sind Finn und Bonnie auch als Einzelcharaktere sehr interessant gewesen. Lediglich einige zu melodramatisch formulierte Passagen haben mich stärker gestört, gegen die ich im Allgemeinen eine ziemich heftige Abneigung habe.

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