Rezension

Insgesamt mehr als anständiges Romandebüt.

Justins Heimkehr - Bret Anthony Johnston

Justins Heimkehr
von Bret Anthony Johnston

Bewertet mit 4 Sternen

Manchmal befällt mich so ein Unwohlsein beim Lesen eines Romans, an dem sonst alles stimmt und dann komme ich drauf: Die Psychologie des Romans hat mich nicht überzeugen können. Lest selber, es ist des Lesens durchaus wert, dieses Buch. Auch wenn ich Abstriche machte, fällt doch "Justins Heimkehr" von Johnstons Romandebüt bereits in die Königskategorie Belletristik oder Anspruchsvolle Literatur.

Ein Junge verschwindet. Vier Jahre lang bleibt seine Familie im Ungewissen. Ist er tot? Lebt er? Dann taucht er wieder auf. Was hat er erlebt? Die Psychologen raten der Famile, das Kind, das ein Jugendlicher geworden ist, nicht darauf anzusprechen. Vier Jahre sind vier Jahre und das Kind hat sich verändert. Ist ein Mann geworden, hat andere Vorlieben entwickelt als angenommen, mag Dinge nicht mehr, die es früher mochte. Die Familie hat sich, auch wenn es ihr schwerfällt, es einzugestehen, entfremdet.

Bret Anthony Johnston hat in seinem Romandebüt den richtigen Ton getroffen. Völlig unreißerisch stellt er das Unvermögen der diversen Familienangehörigen dar, mit einem Geschehen fertigzuwerden, das doch nur anderen zustößt, aber niemals einem selber. Dieser Teil hat mir sehr gut gefallen. Vater und Großvater sind am glaubwürdigsten, die Nebenfiguren sind detailreich und schön gezeichnet, die Reaktionen der Mutter waren nicht immer nachvollziehbar.

Zugesagt hat mir das Täterprofil. Es ist kein Roman, in dem der Täter mehr Raum bekommt als das Opfer. Dennoch bleibt seine Figur nicht unberücksichtigt.

Was mir dagegen überhaupt nicht einleuchtete, war die frühzeitige und ganz selbstverständliche Beschäftigung der engeren und ferneren Verwandtschaft mit Selbstjustiz bis hin zur detaillierten Planung eines Verbrechens. Man merkt, dass dem Autor die Darstellung der inneren Ereignisse thematisch dann doch nicht genug waren und dass er nach etwas suchte, was den Leser weiterhin bei der Stange halten könnte. Das wäre aber gar nicht notwendig gewesen, denn Johnston hat einen leichten, angenehmen und gar nicht oberflächlichen Schreibstil. Er hat auch schon früher geschrieben, 1971 geboren, gab er 2004 den Erzählband „Corpus Christi“ heraus. Ein echter Schreiberneuling ist er also nicht, doch „Justins Heimkehr“ ist sein erster Roman. Der schon ganz ordentlich ist.

Das Selbstjustizthema ist für den Leser zwar eingermassen spannend aufbereitet, aber dann doch nicht genug ausgearbeitet. Wenn überhaupt aufgegriffen, hätte hier eine tiefere ethisch-moralische Auseinandersetzung stattfinden müssen, samt einer erläuternden Darstellung, warum die Amerikaner so schnell selbst Gerechtigkeit ausüben wollen – oder, was sie dafür halten. Familienbezogen war die Thematik für mich zudem psychologisch unglaubwürdig. Nachvollziehbar zwar, dass Rachegedanken gegenüber dem Täter aufkommen, jedoch nicht in der Art, wie Johnston es darstellt, aus Angst. Denn das entführte Kind ist kein Kind mehr und wäre dem Täter nicht mehr hilflos ausgeliefert, käme er frei oder der Familie zu nahe. Die Selbstjustizfrage überpowerte den Roman und schwächte ihn, statt ihn, wie vom Autor beabsichtigt, zu stärken.

Fazit: Psychogramm einer Familie nach dem Erleben eines Akts der Gewalt. Insgesamt ein mehr als anständiges Romandebüt.

Kategorie: Belletristik,
Verlag: C.H. Beck, 2017

Autor: Bret Anthony Johnston