Rezension

Interessante Geschichte einer wissbegierigen jungen Frau

Die Buchbinderin von Oxford -

Die Buchbinderin von Oxford
von Pip Williams

Eine junge Frau möchte mehr vom Leben

In ihrem Roman ,, Die Buchbinderin von Oxford " erzählt die Autorin Pip Williams die Geschichte der Zwillingsschwestern Peggy und Maude,  die in der Buchbinderei der ,,Oxford University Press " in Jericho arbeiten.  So wie es schon ihre Mutter tat. 

Seit mehreren Jahren leben die inzwischen 20jährigen  jungen Frauen alleine auf dem Hausboot in beengten und etwas ärmlichen Verhältnissen,  nachdem ihre Mutter viel zu früh verstorben ist.  Sie verdienen  wie viele andere Frauen aus Jericho ihren Lebensunterhalt in der Buchbinderei, wo sie Tag für Tag die Bögen fallen,  aus denen die Bücher gebunden werden. Eine eintönige Arbeit,  die Maude gefällt.  Peggy jedoch würde viel lieber die Bücher lesen. Die Fragmente,  die sie bei der Arbeit auf die Schnelle sieht, reichen ihr nicht. Daher nimmt sie unbrauchbare Seiten  und Ausschuss mit nach Hause. Das Hausboot quillt fast über vor Büchern. Sie möchte mehr erreichen,  als ihr Leben lang als Buchbinderin zu arbeiten.  Doch da sie bereits mit 12 Jahren die Schule beendete, stehen ihr nicht viele Möglichkeiten offen.  Außerdem fühlt sie sich für ihre Schwester verantwortlich,  die etwas besonders ist und mehr  Anleitung und Unterstützung im Leben braucht. 

Als der 1. Weltkrieg ausbricht,  ziehen schon bald die Männer in den Krieg aufs Festland. Als erste Flüchtlinge,  sowie verwendete belgische Soldaten nach Oxford kommen,  ändert sich Peggys Leben. Einige der belgischen Frauen beginnen ebenfalls in der Buchbinderei zu arbeiten. Eine von ihnen,  Lotte , freundet sich bald mit Maude an, so daß Peggy im Freiwilligen-Dienst  den zum Teil schwerst  verwundeten Soldaten im Krankenhaus vorlesen und beim Briefeschreiben helfen kann. Dabei lernt sie Gwen, eine junge Frau aus besseren Kreisen kennen. Tilda, die Freundin der Mutter,  geht als Kriegskrankenschwester nach Frankreich.  Von dort schickt sie fürsorgliche Briefe, in denen sie aber auch von ihrem Dienst und den schrecklichen Geschehnissen und Verwundungen der Soldaten berichtet. Eindrucksvoll, erschreckend  und berührend  taucht man so in das Kriegsszenario und den Folgen ein. 

Peggy bekommt durch Gwen Einblicke  ins Studium und den nötigen Anschubs,  vielleicht doch mehr aus ihrem Wissensdurst machen zu können.  Im Krankenhaus kümmert Peggy sich  um den schwerst verletzten Belgier Bastiaan und verliebt sich in ihn. Wird für Peggy der Traum eines Studiums am Sommerville College in Erfüllung gehen? Und das persönliche Glück ? Eine Zukunft mit Bastiaan? 

Auch die Frauenbewegung,  das Aufbegehren nach mehr Rechten , ist thematisiert , nimmt aber keinen zu großen Raum der Geschichte ein. 

Pip Williams hat auf eine liebevolle, manchmal etwas zu ausführliche Weise, die besondere Beziehung der Schwestern dargestellt.  Das innige Verhältnis zueinander,  welches jedoch für Peggy zuweilen eine Last darstellt.  Das Hin-und Hergerissen-Sein zwischen Verantwortung und eigenen Wünschen ist realistisch  und  deutlich spürbar dargestellt. Sowohl die Schwestern,  als auch Tilda,  Lotte , Gwen,  die lieben Bewohner des benachbarten Hausbootes sind liebevoll,  realistisch und sympathisch beschrieben.  

Während es im ersten Teil der Erzählung zum großen Teil um die Arbeit in der Buchbinderei geht, wird im weiteren Verlauf des Buches mehr und mehr die Entwicklung der Personen zum Thema.  Die Geschichte nimmt immer mehr an Fahrt auf,wobei es zu keiner Zeit dramatisch oder reißerisch wird. Der Schreibstil ist unglaublich bildhaft  und einfühlsam.  Die Beschreibungen der Buchbinderei sind so detailliert,  daß ich mir jetzt genau vorstellen kann, wieviel Handarbeit nötig war, um ein Buch herzustellen.  Das hat mir unglaublich gut gefallen.  Auch die Handlungsorte, besonders das Hausboot , die Buchbinderei und die Umgebung sind wunderbar bildhaft dargestellt.  

Das Cover gefällt mir sehr gut. Die schön gebundenen Bücher, das gefaltete Boot , umrankt von Zweigen  passen sehr gut zum Titel, welcher  aussieht wie aus einem Buch ausgeschnitten. 

Die Geschichte hat mir gut gefallen,  weil mich das Streben von Peggy nach Wissen,  gepaart mit ihrer Fürsorge und Verantwortung für ihre  Schwester sehr berührt hat. Auch die detailliert  , zum Teil schonungslos,  beschriebenen Ereignisse und Traumata der Soldaten haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen.  

Das Eintauchen in die Welt der Buchbinderei mit lebendigen Charakteren ist eine Empfehlung für Liebhaber historischer Romane.