Rezension

Kopfkino pur

Der Herr der Bogenschützen
von Mac P. Lorne

Bewertet mit 5 Sternen

John Holland wird nach dem Tod seines Vaters von seiner Mutter getrennt und wächst bei Pflegeeltern auf. Titel und Besitz sind mit dem Vater untergegangen, doch John, obwohl noch sehr jung, lässt sich nicht unterkriegen. Als König Henry den Krieg mit Frankreich wieder aufleben lässt, ist John dabei.

Der Krieg Englands mit Frankreich, der später der Hundertjährige genannt wird, geht in eine neue Phase, und schließlich taucht eine Frau auf, die bis heute unvergessen ist: Jehanne Darc, bekannt als Jeanne d'Arc oder die Jungfrau von Orléans.

John Holland ist kein fiktiver Protagonist, sondern eine historische Persönlichkeit – das muss man wissen, bevor man den Roman liest, sonst würde man dem Autor womöglich unterstellen, zu viel Unwahrscheinliches in dieses Leben hineingedichtet zu haben. Ein großer Teil der geschilderten Ereignisse ist aber genau so geschehen, und wo Lücken zu füllen waren, hat der Autor sie so zu füllen versucht, wie es hätte passiert sein können. Näheres dazu erläutert der Autor in seinem historischen Nachwort.

Ob John wirklich ein so sympathischer und charismatischer Mensch war, wie er als Protagonist dieses Romans wirkt, kann man natürlich nicht wissen, es ist aber auch egal, denn dies ist eben ein Roman und keine Dokumentation. Ich mag es, von diesem faszinierenden Mann zu lesen, und gerade weil man als Leser ständig mit ihm fühlt, hofft und bangt, entwickelt der Roman eine regelrechte Sogwirkung. Auch die anderen Charaktere sind Mac P. Lorne wunderbar gelungen, egal ob Freund oder Feind, alle sind gut ausgearbeitet und wirken echt – und John ist beileibe nicht der einzige, mit dem man sich als Leser anfreundet und um den man deshalb bangt. Ich habe (neben John) ein besonderes Faible für Mathew Gough entwickelt, der ebenfalls, wie fast alle teilnehmenden Personen, historisch belegt ist, wie man auch dem Personenverzeichnis, das den Roman einleitet, entnehmen kann.

Jehanne Darc dürfte eine der historischen Persönlichkeiten jener Zeit sein, von der jeder schon einmal gehört hat, und um die sich die meisten Legenden ranken. Ihre Rolle in diesem Roman ist nicht ganz so glänzend, dafür aber womöglich wesentlich realistischer. Auch dazu hat der Autor sich im Nachwort geäußert. Jehannes Rolle im Roman ist die einer Antagonistin, aber auch die einer Frau, die benutzt wird. Ich finde es gut, dass man als Leser angeregt wird, über sie nachzudenken.

Sehr gut hat mir auch Mac P. Lornes Erzählstil gefallen, der sehr bildhaft und mitreißend ist, so dass man nur so durch die Zeilen fliegt und das Kopfkino dauerhaft arbeitet. Sehr gefällt mir, wie viel Hintergrundwissen mit einfließt, so z. B. die Entstehung eines Bogens. Naturgemäß sind einige Schlachten enthalten, auch hier zeigt der Autor, wie spannend man diese erzählen kann, aber auch, wie grausam Krieg ist – und zwar nicht nur bei den Schlachten.

Neben dem bereits erwähnten Personenregister und den historischen Anmerkungen rundet eine Karte, eine Zeittafel, ein Glossar und eine Bibliographie die Zusatzausstattung dieses Romans ab – perfekt.

Wer gerne gut recherchierte historische Romane liest, sollte hier unbedingt zugreifen, er erhält eine packende Geschichte, mit historisch belegten Prota- (und Antagonisten), mit denen man mitfühlen kann, die bildgewaltig und spannend erzählt ist, und die man nur ungern wieder verlässt.