Rezension

Kurze emotionale Geschichte mit vielen wichtigen angesprochenen Themen

Verloren im Schattenwind -

Verloren im Schattenwind
von Britta Orlowski

Bewertet mit 3.5 Sternen

„Außerdem gab es seinen Vorsatz: Lass niemanden in dein Leben, dessen Verlust du nicht verkraften kannst.“

Der 21-jährige Ben muss, nachdem er in seinen jungen Jahren schon so viel Pech und einen großen Verlust erlebt hat, unter dem er noch immer Tag und Nacht leidet, Sozialstunden auf einem Pferdehof, auf dem auch Schafe gehalten werden, ableisten. Die acht Monate erscheinen ihm wie eine lange Zeit und er möchte sie so schnell wie möglich hinter sich bringen, aber mit der Zeit weckt Livi, die 17-jährige Tochter der Hofbesitzer, sein Interesse. Sie ändert nicht nur seine Einstellung zu seiner Arbeit auf dem Hof, sondern auch die zu seinem Leben.

 

Das Buch basiert auf einer schönen Grundidee und dem Konzept, durch Sozialstunden auf dem Hof wieder zu sich selbst und in ein erfülltes Leben zurückzufinden. Der Leser begleitet Ben bei seiner Zeit auf dem Hof und sieht, ob und wenn ja welchen Nutzen ihm diese Erfahrung bringt.

Erzählt wird diese Geschichte in vier Kapiteln, die durch häufige Perspektivwechsel in sich untergliedert sind, sodass die Kapitel nicht zu lang erscheinen. Dargestellt werden die Ereignisse und Emotionen aus den Perspektiven von Livi und Ben in der dritten Person, sodass die beiden den Leser durch ihren Alltag und durch ihre Gefühle sowie ihre individuellen Entwicklungen leiten.

Mit Ben kann man schon von Beginn an mitfühlen und seine Gefühle einigermaßen nachvollziehen. Bei Livi dauert das warmwerden etwas länger, jedoch sind ihre anfänglichen Vorbehalte und Zweifel durchaus nachvollziehbar. Durch die persönliche Entwicklung der beiden war es jedoch im weiteren Verlauf gut möglich, beide Charaktere sympathisch und ihre Handlungen als nachvollziehbar sowie authentisch zu empfinden. Im weiteren Verlauf, gerade gegen Ende hin fiebert der Leser mit den beiden mit und möchte sie gelegentlich auch mal durchschütteln, damit sie sich in der beschriebenen Situation anders verhalten.

Die Geschichte kommt mit wenigen Figuren aus. Konkret und mit vielen Charaktereigenschaften ausgestaltet werden jedoch nur die Protagonisten Livi und Ben. Die Nebencharaktere bleiben eher am Rand. Es ist ein bisschen schade, dass sie zum Teil zu blass bleiben, jedoch auch in Ansätzen nachvollziehbar, da nicht deren Geschichte und Gefühle im Fokus stehen.

Die Entwicklung des Buches scheint zu Beginn klar. Der Fokus ist eher auf Gefühle und zwischenmenschliche Beziehungen gelegt. Die Emotionen hätten jedoch zum Teil noch etwas mehr herausgearbeitet werden können, um authentischer zu erscheinen. Erst im weiteren Teil gestehen sich die Protagonisten manche ihrer Gefühle ein und der Leser nimmt ihnen diese auch eher ab als noch zu Beginn. Einen Teil der Geschichte von Ben kennt der Leser zu Beginn, jedoch noch nicht in allen Details. Diese werden erst im Laufe der Geschichte durch Erinnerungsfetzen, Rückblenden und gemeinsamen Gesprächen beleuchtet. Dies baut zumindest ein bisschen Spannung auf. Insgesamt ist die Handlung gut herausgearbeitet, nur zum Teil wäre ein bisschen mehr Tiefe wünschenswert gewesen.

Das gesamte Setting und Ambiente ist schön und idyllisch. Durch die Pferde und Schafe hat der Leser ein sehr ländliches Bild von dem Handlungsort. Der Schreibstil ist sehr bildlich und beschreibt viele Details über die Atmosphäre, den Schauplatz und die Gefühle der Protagonisten. Er lässt sich gut und flüssig lesen, sodass sich der Leser nah an der Geschichte fühlt.

Schön ist, dass sehr viele wichtige Themen angesprochen werden und eine große Rolle einnehmen. Dazu gehören unter anderem Aspekte der Trauer- und Traumaverarbeitung, Verlust, Vorurteile und vor allem Akzeptanz des Lebens sowie Lebensfreude. Diese werden gut in die Geschichte eingearbeitet, ohne aufgesetzt oder übertrieben zu wirken.

 

Insgesamt ist es ein nettes Buch für zwischendurch mit interessanten Themen und Denkansätzen. Es ist leicht zu lesen und nicht zu anspruchsvoll, nimmt den Leser aber dennoch kurzzeitig mit auf den ländlichen Hof und auf eine emotionale Reise der Protagonisten zu sich selbst und zu ihren Gefühlen.