Rezension

Leben mit der Diagnose "Hirntumor"

Arbeit und Struktur - Wolfgang Herrndorf

Arbeit und Struktur
von Wolfgang Herrndorf

Der Autor Wolfgang Herrndorf erhielt im Februar 2010 die Diagnose "Hirntumor, tödlich". Was bleibt da zu tun? Normalerweise wird dazu geraten, sich endlich seine langgehegten Wünsche zu erfüllen und z. B. eine große Reise zu unternehmen. Er entscheidet sich anders: Sein Leben braucht nun Arbeit und Struktur.

Und so widmet er sich seinen lange liegen gebliebenen Manuskriptentwürfen. In kürzester Zeit vollendet er "Tschick", das den Deutschen Jugendliteraturpreis erhält. Danach ist "Sand" an der Reihe. Auch dieses Buch wird in Eile fertiggestellt und hat große Erfolge; so erhält es den Preis der Leipziger Buchmesse und landet auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Die ganze Zeit über führt Herrndorf parallel ein blog in Form eines digitales Tagebuches, das er "Arbeit und Struktur" nennt. Im August 2013 erschießt sich Herrndorf. Wie von ihm gewünscht erscheint das blog als Buchform.

Das blog berichtet ganz sachlich über die Diagnose, die Ausfälle verschiedener Kompetenzen und Herrndorfs Alltag. Es gibt keine Emotionsausbrüche; dennoch werden seine Gefühle zwischen den Zeilen deutlich. Herrndorf bezeichnet sich selbst als nicht gläubig; für ihn ist mit dem selbst gewählten Tod das Leben zu Ende. Beim Leser ruft dieses Buch existenzielle Fragen auf: Wie stehst du selbst zu den Fragen von Leben und Tod? Was ist der Sinn des Lebens? Wie würdest du dein restliches Leben gestalten mit dem Tod vor Augen? Das fordert zu Auseinandersetzung und Standortbestimmung. Keine Kost für Zwischendurch, sondern wertvolle Impulse für das eigene Leben.

Kommentare

Steve Kaminski kommentierte am 24. April 2014 um 10:04

Eine interessante Rezension - vor allem, da ich gerade "Sand" gelesen habe (das erste Buch, das ich von ihm gelesen habe): Da hatte er also schon den Tumor?

Ich notiere mir das Buch mal.