Rezension

Life's a bitch

Der Distelfink
von Donna Tartt

1022 Seiten. Was für ein Brett. Aber ich sollte das Buch unbedingt lesen, nicht umsonst habe ich es von einem Freund, ein begeisterter Leser, geschenkt bekommen. Und er Recht behalten: das Buch ist einfach wunderbar. 1022 Seiten?? Pahh, mir kam es vor, als würde die Zeit nur so dahinfliegen.
Es fällt mir schwer, meine Meinung zu dem Buch zu formulieren ohne groß zu spoilern und wahrscheinlich denke ich mir hinterher, dass ich noch dieses und jenes vergessen habe, aber es gibt einfach zu viel, über das ich an dieser Stelle im Bezug auf das Buch schreiben könnte. Und ich möchte es kurz halten.
"Der Distelfink" ist ein besonderes Buch. Es ist sehr feinsinnig und mit viel Liebe zum Detail geschrieben und nichtsdestotrotz nie, zu keiner Sekunde, langweilig. Ganz im Gegenteil. Die Geschichte und das Schicksal von Theo Decker haben mich von Anfang bis zum Ende gefesselt. Als ich das Buch beendet habe, war ich ein Stück weit traurig, dass es schon zu Ende ist, weil es sich so anfühlt, als würde man die Figuren sein Leben lang kennen. Nicht nur den Hauptprotagonisten Theo, den wir als Leser im Alter von dreizehn Jahren kennenlernen, auch die Nebenfiguren sind brilliant und liebenswürdig und alle sehr unterschiedlich und facettenreich.
Wir begleiten also Theo chronologisch in verschiedenen Episoden seines Lebens, bei denen sich das Setting hin und wieder ändert und auch größere Zeitsprünge von ein paar Jahren für Erstaunen und Konfusion sorgen. Aber vor allem für Aha-Erlebnisse und schockierende Momente. Ich habe nach solchen Zeitsprüngen nie kommen gesehen, was als nächstes passiert und war immer überrascht, wie viel ich anscheinend verpasst habe, obwohl ich doch die gesamte Zeit so nah am Geschehen war.
Neben diesen besonderen Momenten hat das Buch auch allerhand andere Gefühle in mir ausgelöst. Momente, in denen ich total schockiert war, haben sich dennoch mit Hoffnung vermischt und Momente, in denen ich laut los lachen musste, haben mich trotzdem mit einer bösen Vorahnung zurückgelassen und einem ganz, ganz schlechten Gefühl, was als nächstes passieren wird.
Donna Tartt zeigt sehr eindrucksvoll, wie schnell eine Negativspirale entstehen kann und vor allem, dass es jeden treffen kann. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen düster, aber wären Theo und seine Mutter an Tag X anstatt ins Museum zum Frühstück gegangen, dann würde die Geschichte in diesem Buch eine völlig andere sein. Kein Abstieg. Kein Alkohol. Keine Drogen. Keine Kriminalität. Kein verkorkstes Leben. Schicksal oder Shit happens.
Und in diese ohnehin schon gelungene "Coming of Age"-Geschichte über einen Jungen, der Tiefschlag um Tiefschlag kassiert und für den es dennoch ein gutes Ende zu geben scheint, fügt Donna Tartt eine Art Gangsterkrimi, in der die Vergangenheit Theo in den Hintern zu beißen droht. 

Fazit:
1022 packende Seiten und trotzdem könnte es noch locker eine Fortsetzung geben!! Ich freue mich jetzt schon auf die Verfilmung des Buches, Warner Bros. hat bereits die Rechte gekauft.
Jeder, der sich in einem Buch verlieren und Stunde um Stunde lesen möchte, greift hier zu. Kunstliebhaber erst recht.
 

5 Eselsohren