Rezension

Mein erster Irving => Fan fürs Leben

Garp und wie er die Welt sah - John Irving

Garp und wie er die Welt sah
von John Irving

Bewertet mit 5 Sternen

Schon Garps Zeugung ist eine groteske Angelegenheit: Seine Mutter Jenny, Krankenschwester, will ein Kind, aber keine sexuelle Beziehung und befruchtet sich quasi selbst durch einen sterbenden Soldaten, der nur noch zwei Dinge kann: Eine Erektion zustande bringen und das unverständliche Wort "Garp" flüstern.
Garp wächst bei seiner Mutter auf, die in einem Internat Schulkrankenschwester ist, und wird durch die Schulmannschaft zu einem erfolgreichen Ringer. Nach ihrer Pensionierung schreibt Jenny eine Autobiographie, die sie ungewollt zur Frontfrau des Feminismus macht. Garp fängt auch an zu schreiben; seine erste Erzählung lautet "Die Pension Grillparzer", die er bei einem Wienaufenthalt schreibt und die sich (natürlich) u.a. um einen Bären dreht. Er heiratet eine Jugendfreundin; sie bekommen drei Kinder, er ist Hausmann und leidlich fleißiger Autor, während seine Frau als Lehrerin arbeitet. 

Das hört sich zunächst einmal nicht besonders spektakulär an. Aber die Geschichte ist skurril, komisch, verrückt, denn genauso ist Garp Welt (vermutlich nicht nur Garps), vor allem, weil sie bewohnt wird von den absonderlichsten Gestalten: "Lehrern und Huren, Spießern und Randexistenzen, Verlagslektoren und Mördern, Transsexuellen und Sittenstrolchen" (Klappentext). Jede dieser Figuren ist ein Original, jede hat ihr besonderes unverwechselbares Schicksal, jede trägt auf ihre Weise dazu bei, Garps Leben reicher, ärmer, verrückter, fragwürdiger, sicherer, gefahrvoller, ... zu machen. Auffallend ist Irvings Liebe zum Detail, wenn es um die Zeichung der Personen geht.
Gleichzeitig ist es eine tragische Geschichte, auf der einen Seite durch Schicksalsschläge, die Garp treffen - Personen, die er liebt, sterben, aber auch diese Todesfälle geschehen nie durch "normale" Vorkommnisse, sondern immer durch absonderliche Ereignisse oder Zufälle - auf der anderen Seite durch seine mitunter hilflos-selbstbewußte Art, den Dingen zu begegnen.

Was Irving mit sich selbst und seinem Protagonisten gemacht hat, habe ich in dieser Form noch nie gelesen. Es scheint, als hätte er sich selbst und Garp zwischen zwei Spiegel gestellt, von denen einer ein wenig gekrümmt ist. Garp schreibt nur Romane, deren Motive und Themen sich in seinem eigenen Leben finden lassen. (Wobei er betont, er könne es nicht leiden, wenn die Leute in seinen Texten nach biografischen Zusammenhängen suchen.) Irving versieht Garp andererseits mit so offensichtlichen Merkmalen seines Lebens, dass niemand literarische Spurensuche betreiben oder rätseln muss, z.B.: Irving war als Ringer erfolgreich; seine Mutter ist Krankenschwester (sein Vater allerdings kein sterbender Sergeant); der Bär in Garps Erzählung. Und als Gipfel lässt Irving Garp einen Roman mit dem Titel " Bensenhaver und wie er die Welt sah" schreiben.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 22. Februar 2015 um 19:51

Ich habe noch nie was von Irving gelesen, vllt sollte ich dies ändern ...

Violetta kommentierte am 26. Februar 2015 um 09:49

@wandagreen, das solltest du unbedingt, wenn du schrägen Humor, skurrile Personen und eine abgedrehte Handlung magst. "Garp" eignet sich als Einstieg sehr gut, denn Irving hat auch ein paar Romane geschrieben, die nicht so toll sind.

wandagreen kommentierte am 26. Februar 2015 um 10:01

Du müsstest dann auch Heinrich Steinfest mögen, Vio. Ist er auf deiner Vorschlagliste von wld? Skurril ist gar nicht meins, wie ich gemerkt habe bei Toms Lesevorschlägen, aber ich werde es nochmal versuchen. Welcher Roman von Iriving ist "halbwegs normal?"

Violetta kommentierte am 28. Februar 2015 um 10:10

Keiner.