Rezension

Menschen im Hinterland der Côte d'Azur

Die Summe aller Möglichkeiten - Olivier Adam

Die Summe aller Möglichkeiten
von Olivier Adam

Bewertet mit 4.5 Sternen

In seinem neuen Roman „Die Summe aller Möglichkeiten“ lässt Olivier Adam zweiundzwanzig ganz verschiedene Personen zu Wort kommen. Was sie gemeinsam haben? Sie kommen alle aus dem französischen Hinterland der Côte d’Azur. Und ihre Geschichten sind allesamt miteinander verwoben.

Da gibt es Antoine, der dem Verteidiger, der ihn gefoult hat, „seine Faust in die Fresse geknallt“ hat. Ist er deshalb krankenhausreif zusammengeschlagen worden? Dann gibt es da Jeff, seinen Chef, der sein Restaurant und den Campingplatz mehr schlecht als recht gemanagt bekommt. Hinzu kommt ein Polizist, der weiß, wen er in Ruhe lassen muss, um ein geruhsames Leben zu führen, ebenso ein Mädchen, das ausgerissen ist und in der Provinz ihre Ruhe findet. Bis ein Sturm nicht nur das Meer aufpeitscht, sondern den kleinen, verschlafenen Ort in Unruhe versetzt.

Olivier Adam, Jahrgang 1974, gelingt es, die Atmosphäre dieses Ortes einzufangen – eine Atmosphäre, die geprägt ist von Hoffnungslosigkeit, Resignation und dem Trotz, hier an einem schönen Flecken Erde zu leben. Dabei verwendet Adam eher die schlichte Sprache der Hauptsätze, um Stimmungen einzufangen. Doch dabei sitzt jedes Wort. Überflüssige direkte Rede ist vermieden, jedoch mischt sich der Erzähler immer mal wieder ein, indem er seine Figuren über das Leben und die Welt urteilen lässt. Und gerade das lässt die Figuren einem sehr plastisch vor das Auge des Lesers treten.

So wie Wellen an die Küste heranspülen, wechselt Adam immer wieder seinen Erzählfaden. Mal nimmt er die Spur der einen Figur auf auf, dann lässt er eine ganz andere wieder zu Wort kommen. Irgendwann gelingt es dem Leser, das Dickicht der Personen zu durchbrechen, wenn sich immer mehr herausstellt, wer womit verwoben ist und welche Handlungen solitär stehen. Und immer wieder landet er bei der Frage, weshalb Antoine ins Koma geprügelt wurde.

Doch auch von dem, was mehr oder weniger zeitgleich geschieht, ist ausführlich die Rede. Hin und wieder habe ich mich beim Lesen nach einem Personenverzeichnis gesehnt, um nachzuschlagen, wer wer war. Nichtsdestotrotz entsteht im Laufe des Lesens ein stimmiges Bild von den Menschen und ihrer Landschaft.

Etwas schade ist, dass gerade am Anfang des Buches sich sehr viele Rechtschreibfehler eingeschlichen haben, die lassen aber zum Glück bereits ab dem zweiten Kapitel wieder deutlich nach, sodass sie nicht wirklich störend sind. Auch hat der Verlag Klett-Cotta versprochen, die Fehler in den folgenden Auflagen zu korrigieren.