Rezension

Mitreissend, spannend, krass, hoffnungsvoll

28 Tage lang - David Safier

28 Tage lang
von David Safier

Eine sehr bewegende Geschichte, die leider nicht reine Fiktion ist. Zerstörung, Wut, Hass, Trauer, aber auch Glück, Freude und Liebe...der Leser wird durch eine Achterbahn der Gefühle gejagt, bei ich froh bin, habe ich es "nur" im Buch miterlebt, aber nicht in der Realität.

Mira ist eine fiktive Person, wodurch uns der Autor einen Einblick in das Warschauer Ghetto gibt, um es aus der Sicht der Juden zu erzählen, einen lebendigen Protagonisten zu haben und nicht nur trocken die Fakten herunter zu zählen. Geschichte muss leben und diesem Sog kann sich kein Leser dieses Buches entziehen.

Obwohl Mira und ihre Familie sowie Freunde, Widerstandskämpfer und andere Figuren fiktiv sind, orientiert sich das Buch doch sehr an Fakten, an belegten Zeugenberichten von Überlebenden und Dokumentationen. So durchleiden Mira und die anderen dieses traurige Kapitel der Menschheit wie es echte Personen damals leider mussten. Begebenheiten wie Überfälle, einzelne Figuren, Kämpfe, Regelungen der Deutschen, etc. sind belegt und wurden vom Autor nicht verfälscht, wenn auch manchmal nur teilweise erzählt, um den Lesefluss des Romanes zu gewähren. Mira steht stellvertretend für alle traurigen Seelen, die ihr Leben im Ghetto, in den Konzentrationslagern oder auf dem Weg dorthin verloren haben.

Der Roman ist packend, mitreissend, spannend, brutal und aufrütteln. Was für ein Mensch möchte man sein? Jemand, der aufgibt? Jemand, der kämpft? Jemand, der sich möglichst lange versteckt? Jemand, der andere Menschen fürs eigene Überleben tötet oder verrät? Jemand, der an der Seite von geliebten Personen sterben möchte, obwohl man noch eine winzige Chance hätte? Kann man andere zurücklassen oder mittragen? Wie weit geht man für das eigene Überleben? Wie wahnsinnig wird man in einer solchen Situation? Was bleibt einem im Leben noch wichtig? Was ist das Wichtigste überhaupt? So viele Fragen, die dieser Roman aufwirft und nur teilweise beantwortet. Zu grosse Fragen für ein Leben oder Fragen, die man hoffentlich nie beantworten muss, meiner Meinung nach. Und dennoch wird man im Warschauer Ghetto dazu gezwungen - der Leser zum Glück nur noch rhetorisch. Kein Leben hängt von unseren Antworten ab, aber dennoch...
Auch der Autor gibt in einem Epilog Antwort auf einige Fragen über den Roman und die Fakten betreffend dem Widerstand, der tatsächlich 28 Tage lang im Warschauer Ghetto überlebte. In einem Gespräch mit Michael Töteberg erklärt Safier, wie er zu diesem Romanthema fand, wie er es umsetzen wollte, wie er mit den Fakten umging und was er mit der Geschichte von Mira erzählen wollte. 

David Safier war für mich immer der Lustige, der mit den orangen Covern, der mit dem miesen Karma und den sprechenden Kühen, den komischen Verwandlungen, dem unverwechselbaren Humor...Dieser Roman ist ganz anders als alles, was ich von ihm kenne und erstaunlicherweise muss ich sagen, dass es wohl mein Lieblingsbuch von ihm ist (auch wenn ich "Mieses Karma" noch immer auch liebe), aber "28 Tage lang" ist einfach zu kraftvoll. Die Grosseltern von David Safier überlebten den Holocaust nicht; einer der Gründe, warum er schon länger darüber schreiben wollte und es nun tat. Wie der Autor selbst auf dem Klappenumschlag schreibt:
"Dieses Buch soll eine Brücke zwischen Generationen schlagen. Ich möchte mit ihm auch Menschen erreichen, die normalerweise nicht so ohne weiteres zu einem Roman über den Holocaust greifen würden. Deswegen habe ich 28 Tage lang mit den Mitteln des Spannungsromans geschrieben."

Mit dieser Geschichte schrieb Safier keine leichte Lektüre, nichts Witziges, aber etwas Wertvolles und Aussagekräftiges. 
Absolut empfehlenswert.

5/5 Sterne