Rezension

Mitreißende Geschichte einer verlorenen Kindheit

Bienensterben - Lisa O'Donnell

Bienensterben
von Lisa O'Donnell

Bewertet mit 5 Sternen

„Die fünfzehnjährige Marnie und ihre kleine Schwester Nelly haben gerade ihre toten Eltern im Garten vergraben. Niemand sonst weiß, dass sie da liegen und wie sie dahin gekommen sind. Und die Geschwister werden es niemandem sagen. Irgendwie müssen sie jetzt allein über die Runden kommen, doch allzu viel Geld verdient Marnie als Gelegenheits-Dealerin nicht. So ist es ihnen ganz recht, als ihr alter Nachbar Lennie, den fälschlicherweise alle für einen Perversling halten, sich plötzlich für sie interessiert. Lennie merkt bald, dass die Mädchen seine Hilfe brauchen....“ (aus dem Klappentext)

Sozialkritische Romane reizen mich und Lisa O'Donnells Werk „Bienensterben“ hat mich nicht mehr losgelassen. Die Schwestern Marnie und Nelly haben aller Vernachlässigung durch ihre Junkie-Eltern zum Trotz, gute Noten in der Schule, Nelly ist sogar eine begabte Geigenspielerin (durch ein Schulprojekt). Doch natürlich sind sie bzw. sie tun sehr erwachsen, suchen aber eigentlich nur Halt im Leben, vor allem Marnie. Nach außen hin das toughe Glasgower Ghetto-Girl, innen orientierungslos und verletzlich. Sie hat sich schon seit Jahren darum gekümmert, dass der Haushalt lief und ihre Schwester ab und zu etwas Vernünftiges zu essen bekam. Nun muss Marnie außerdem dafür sorgen, dass die Behörden nicht merken, dass ihre Eltern verschwunden sind. Nelly hat ihre eigene Flucht aus der Misere gefunden: sie redet „als ob sie ein Lexikon verschluckt hätte“ (Lennie) und pflegt ihr Streber-Image. Denn es ist schwer im Glasgower Sozialbau-Viertel, ein Leben zu führen, das nicht mit Drogen, Armut und Kriminalität in Kontakt kommt. Lennie versucht es trotzdem, der alternde Schwule ist aber durch eine kompromittierende Situation als Perverser geächtet. Lennie wird zum Halt der Schwestern, zu ihrem Ersatz-Vater und bekommt selbst noch einmal Sinn im Leben.

Alle drei Hauptcharaktere schildern in kurzen, prägnanten Kapiteln die Ereignisse in der Ich-Perspektive bzw. als Brief (Lennie). Die Autorin verwendet eine authentische Sprache, es wird auch mal geflucht etc. und die soziale Schicht dadurch deutlich. Alle drei Erzähler sind unverwechselbar geschrieben, selbst wenn die Überschrift nicht den Namen des Erzählers verriete, wüsste man doch schnell, wer da berichtet.

Neben der schnörkellosen Sprache ist auch die Handlung mitreißend. Wie Marnie, Nelly und Lennie aus der Situation herauskommen, welche Rolle der plötzlich auftauchende Großvater spielt und ob die Schwestern doch noch ein Leben außerhalb des Ghettos führen können, das ist spannend, so dass die Seiten wie im Flug gelesen sind.

Ein großartiger sozialkritischer Roman, für mich besser als zum Beispiel „Scherbenpark“