Rezension

Nur Mittelmaß

Engelskalt - Samuel Bjørk

Engelskalt
von Samuel Bjørk

Bewertet mit 2.5 Sternen

In diesem Thriller kommt selten Hektik auf. Die Charaktere werden sogfältig eingeführt. Auch diejenigen, die im weiteren Verlauf wirklich gar keine Rolle mehr spielen. Dieses Prinzip lässt sich leider auch auf die Story übertragen. Handlungsstränge werden akribisch aufgebaut, um letztendlich mit der eigentlichen Geschichte nur sehr peripher in Zusammenhang zu stehen.

Und ein wenig blutleer kommt sie daher, die Geschichte, die doch eigentlich ein Thriller werden wollte. Sehr konstruiert, mit Akteuren, die skandinavischer nicht sein könnten, so konsequent wie sie nur um sich selbst kreisen. Die „geniale Ermittlerin“ wirkt auf mich wie eine lebende Tote. Eigentlich wollte sie Selbstmord begehen (Ja, das Leben ist nichts für Weicheier!), aber dann kam ihr dieser Fall dazwischen. Immer etwas weggebeamt von Tabletten und Alkohol, blickt sie immer erst dann durch, wenn es schon fast zu spät ist. Und ihre im Rausch gewonnenen Intuitionen haben sich mir nicht erschlossen (vielleicht sollte ich mehr trinken?). Ihr Chef, ein übergewichtiger, brummiger Kerl, hat in etwa so viel Charisma wie ein „Schlagbär“. Ich kenne dieses Wort nicht und weiß auch nicht, was die Übersetzerin mir damit sagen wollte, aber genau so steht es im Text. Das restliche Team wird bis auf den Neuen kaum ausgeleuchtet. Die Elite-Truppe der Polizei hatte ich mir aber kompetenter vorgestellt.

Apropos „blutleer“. Es fließt trotz vieler toter Kinder tatsächlich kein Blut in diesem Thriller. Halt! Jetzt hab ich das Schwein vergessen. Das allerdings wird bestialisch (passt ja zu einem Schwein) mit der Säge erlegt. Ich warte immer noch auf eine Erklärung warum …

Sprachlich konnte mich das Buch nicht überzeugen. Entweder hat der Autor einen sehr merkwürdigen Schreibstil, oder die Übersetzerin hat versagt. Dass der Begriff Hospiz im Deutschen Sprachgebrauch eine andere Bedeutung hat als im skandinavischen Raum, kann ich noch verschmerzen. Aber was wollen mir solche Sätze sagen? „Die klein süß schön wunderbare Sigrid, …“ „Oder war das Auftrag gegen Vögeln?“
„Das Mädchen in dem grauen Kleid sah sich abermals um.“ Einige Zeilen darunter steht „Das Mädchen mit dem Weißen schien nervös zu sein.“ Ja was denn nun? Hat das Mädchen nun ein graues oder ein weißes Kleid an. Oder was muss ich mir unter dem „Weißen“ vorstellen?
Wenn ein Kind in einem Raum ohne Toilette gefangen gehalten wird und seine Notdurft in einen Papierkorb macht, wie bitte kann es dann sein Essen in die Toilette kippen? Ich könnte stundenlang so weitermachen …

Dreh und Angelpunkt des Thrillers: Der Psychopath! Er/Sie sollte eine faszinierend böse Ausstrahlung haben. „Engelskalt“ bietet aber nur die kindlich-naive Variante, die außerdem noch durch mir nicht verständliche Motive glänzt. Für mich der größte Schwachpunkt dieses Buchs.

Trotzdem kommt zwischendurch eine gewisse Spannung auf und das Buch lässt sich auch flüssig lesen. Das ist jedoch wirklich das Minimum, das ich von einem Thriller erwarte. Guter Thriller geht anders. Und mit den besten des skandinavischen Thrillers (Jo Nesbø und Arne Dahl) kann sich Samuel Bjørk wirklich nicht messen.