Rezension

„nur wer gar nichts muss, ist frei“

Drei Meter unter Null, 5 Audio-CDs - Marina Heib

Drei Meter unter Null, 5 Audio-CDs
von Marina Heib

Bewertet mit 5 Sternen

Ich bin fast in meine Lautsprecher hineingekrochen (ich hatte die Audio-CDs der ungekürzten Lesung) und wurde mehrfach von einer kompletten 180°-Wendung völlig überrascht. Ich schreibe direkt und noch völlig unter dem Eindruck dieser Buchentdeckung. Wer wie ich derart viele Krimis und Thriller liest und hört, findet fast immer das „Haar in der Suppe“. Das hier ist anders – doch was ist es überhaupt, ein Krimi, ein Thriller, ein psychologisches Drama? Irgendwas von allem davon. Hier ist nichts so, wie es zunächst zu sein scheint.

„Mein neues Ziel ist weniger Beruf als Berufung: Ich werde Mörderin“ – zu Beginn war ich fasziniert und gelegentlich abgestoßen von der lange namenlosen Ich-Erzählerin. Zu Beginn habe ich überlegt, ob hier eine psychische Störung vorliegen könne, und, wenn ja, welche. Zu Beginn fragte ich mich, wie ein Text, bei dem doch von Anfang an gesagt wird, um was es geht, über 5 CDs, 6 ½ Stunden, als Buch gut 250 Seiten tragen soll. Zu Beginn spekulierte ich, was an jenem Donnerstag geschehen war, das alles änderte – zu Beginn glaubte ich nicht, dass da wirklich ein Anstoß nötig gewesen war für etwas, das doch schon länger angelegt schien seit dem Kindergarten, dem Urlaub an der Ostsee, dem Studenten. Weit gefehlt.

Schon allein die Schilderung der Vorbereitungen und die Schilderung der Taten in der ersten Hälfte des Romans übten eine starke sogartige Wirkung auf mich aus, verstärkt noch durch den fulminanten Vortrag durch Anna Thalbach – oft atemlos, dann vortastend, eskalierend, explodierend. Hermann. Karl. Manfred. Das ist der Plan. Doch was dann passiert – Autorin Marina Heib baut das geschickt auf, mit einer Umkehrung der Reihenfolge, dem hinteren Teil nach vorne gezogen, wäre das schon ungewöhnlich, so ist es aber geradezu grandios.

Die übliche Warnung: was hier passiert, könnte empfindliche Gemüter schockieren, wobei man vermutlich bei Erreichen der entsprechenden Textstellen bereits ohne offensichtliche „Schock-Trigger“ ohnehin schon im Schockmodus ist. Mich störte eher besonders im Anfang die bei sonst guter Sprache teils recht vulgäre Ausdrucksweise etwa „seinen Schwanz in mich würde stoßen können, als wäre meine Möse das Tor zu Camelot“, Schwamm drüber, es geht vorbei und passt irgendwie zu der Ich-Erzählerin, hätte es für mich aber nicht gebraucht.

Richtig heftig wird „Drei Meter unter Null“ ohnehin noch einmal, wenn man am Ende des Buches allein gelassen wird – und über die mögliche Zukunft nachdenken darf.
6 Sterne von 5. Ernsthaft.

Was hat Frau Heib sonst noch geschrieben?