Rezension

Positionswechsel vs. eingespielte Laufwege

Almuth spielt auswärts - Tanja Kokoska

Almuth spielt auswärts
von Tanja Kokoska

Bewertet mit 5 Sternen

Überzeugte Hausfrau, 63 Jahre alt, seit 30 Jahren mit Günter verheiratet, mit Faible für Kochbücher und den FC Barcelona – das ist unsere Protagonistin Almuth. Allerdings nur bis zu einem Kurzurlaub mit ihren Freundinnen in der Schweiz. Von da an stellt sie ihre Rolle als Ehefrau und Hausfrau in Frage und erlebt sogar ein amouröses Abenteuer mit einem wesentlich jüngeren Mann. Wird Almuth die eingespielten Laufwege ihres Lebens verlassen?

 

Ein Buch geschrieben von einer Frau über eine Frau für Frauen, ohne aber anspruchslose Frauenliteratur zu sein, wie sie in jüngerer Zeit vermehrt erscheint. In ihm spielt eine Frau der Generation 60 + die Hauptrolle. Thematisiert wird, was sie noch von ihrem Leben erwarten kann und will. Dieses Thema wird in einer sehr eigenen Schreibweise behandelt. Unsere Almuth sinniert und philosophiert über ihr Leben, indem sie stetige Vergleiche zieht zu kulinarischen Gerichten und zur Fußballwelt, also Metiers, in denen sie zu Hause ist. Das geschieht meistens gedanklich und in umständlicher, amüsant klingender Weise. Dabei kommen Dinge heraus wie: „Frauen vermissen Küsse … Kochen ist was anderes, so wie mein Käsekuchen, der schmeckt immer gleich, seit fünfunddreißig Jahren. Küsse schmecken immer anders, obwohl es auch dieselben Zutaten sind, vier Lippen, zwei Zungen und los. Küsse können nicht wie Käsekuchen sein, aber Sex wie alte Brotreste, da soll sich einer auskennen“ (S. 68) oder „Vielleicht geht es nur um einen Positionswechsel … Das würde bedeuten, dass die jahrelang eingespielten Laufwege vielleicht nicht mehr funktionieren. Dass keiner mehr weiß, wo der andere steht oder hinläuft, weil der eine plötzlich auf einer neuen Position spielt, der andere aber noch auf der alten.“ (S. 287). Almuths Überlegungen lesen sich fast schon als Beziehungsratgeber und lassen jedenfalls auch mich darüber nachdenken, was ich im Leben will.

Fazit aus dieser wunderbaren Geschichte ist vor dem Hintergrund der sich über die Jahre in der Ehe von Almuth und Günter eingestellten Sprachlosigkeit: „Man muss nur sagen, was man will“ (S. 314).

Lobenswert ist das liebevoll gestaltete Cover. Der Einband ist nach Art eines Passepartouts gemacht. Ein Fußball – passend zu Almuths Leidenschaft – ist ausgestanzt; der Buchtitel ist auf dem darunter befindlichen Einbandteil abgedruckt. Wird der rückwärtige Einband aufgeklappt, findet sich ein Rezept für die in der Geschichte oft erwähnten Fotzelschnitten.

 

Ein beachtlicher Debütroman, der zeigt, dass sich Schmökern auch jenseits der Bestsellerlisten lohnt.