Rezension

Sehr ungewöhnlich und schwer in Worte zu fassen

Der Ozean am Ende der Straße - Neil Gaiman

Der Ozean am Ende der Straße
von Neil Gaiman

Bewertet mit 3.5 Sternen

3,5 Sterne

"Ich sehne mich nicht nach meiner Kindheit, aber ich sehne mich nach der Freude, die ich früher an kleinen Dingen fand, selbst wenn weit wichtigere Dinge im Argen lagen." S. 199

Klappentext

Es war nur ein Ententeich, ein Stück weit unterhalb des Bauernhofs. Und er war nicht besonders groß. Lettie Hempstock behauptete, es sei ein Ozean, aber ich wusste, das war Quatsch. Sie behauptete, man könne durch ihn in eine andere Welt gelangen. Und was dann geschah, hätte sich eigentlich niemals ereignen dürfen … Weise, wundersam und hochpoetisch erzählt Gaiman in seinem neuen Roman von der übergroßen Macht von Freundschaft und Vertrauen in einer Welt, in der nichts ist, wie es auf den ersten Blick scheint.

Meine Meinung

Also ich muss ehrlich gestehen, dass es mir sehr schwer fällt, dieses Buch zu rezensieren. Ich bin mir nicht sicher, ob ich da die richtigen Worte finden werde ...

Erstmal zum Cover, das ich wirklich wunderschön finde und durch das ich (und auch durch den Titel) auf das Buch aufmerksam wurde. Es sieht einfach wunderschön aus mit dieser einsamen Farm, dem Ozean, der so unwirklich realistisch die ganze Szene einnimmt und genau die Stimmung trifft, die sich durch das ganze Buch gezogen hat.

Worum gehts überhaupt? Ein älterer Mann kommt wegen einer Beerdigung in sein Heimatdorf zurück und es zieht ihn magisch an den Ort seiner Kindheit, den einsamen Hof der Hempstocks. Erinnerungen an Lettie Hempstock kommen auf, die ihm damals eine wichtige Freundin, ja eine Verbündete geworden ist. Auf einer Bank hinter dem Hof, beim Ententeich, werden aus den Gedankenfetzen der Vergangenheit Bilder - und alles, was damals geschehen ist, überschwemmt ihn wie eine unaufhörliche Flut.

Die Geschichte des Jungen, dessen Name an keiner Stelle erwähnt wird, ist eine Mixtur aus der harten Realität seiner schwierigen Kindheit und einer traumwandlerischen Verflechtung von tiefgründigen Mythen und dem Ursprung der Welt. Der Ozean am Ende der Straße, verborgen in einem unscheinbaren Ententeich, was ist er wirklich? Für die Freundin des Jungen, Lettie, hat er eine tiefgreifende Bedeutung, eine Geltung, die mir erst recht spät so wirklich bewusst geworden ist. Je länger ich darüber nachdenke, desto greifbarer und durchschaubarer wird der Sinn, den Neil Gaiman darin enthüllen wollte: Die Zeit ist ein unendlicher Fluss und der Ozean das Wissen, das jeder von uns in sich trägt.

Das personifizierte Böse, das sich in die Welt dieses 7jährigen Jungen einschleicht, ist grausam und war für mich nicht leicht zu durchschauen - das Motiv dafür hab ich verstanden, wie sich dass allerdings mit der Rolle im Buch verbindet, ist mir immer noch nicht ganz schlüssig.

"Wie sie da in der Luft stand, war sie die leibhaftige Macht. Sie war das Gewitter, sie war Blitz und Donner, sie war die Welt der Erwachsenen mit all ihrer Macht und all ihren Geheimnissen und all ihrer törichten, beiläufigen Grausamkeit." S. 118

Neben dem Mädchen Lettie Hempstock leben noch ihre Mutter und Großmutter auf der Farm, eine sehr schöne Anlehnung an die Nornen der germanischen Myhtologie, Moiren aus der griechischen oder Parzen aus der römischen: Die Schicksalsgöttinnen. Eine uralte Symbolik, verwoben mit dem Zufall einer Begegnung, die den Jungen sein ganzes Leben lang begleiten wird.

Die schon oft erwähnte Poetik des Schreibstils habe ich jetzt nicht wirklich so empfunden. Es ist jedenfalls ein sehr eigenwilliger Stil, den ich sehr schlecht beschreiben kann. Einerseits hat er mich immer auf Abstand gehalten, andererseits war es stellenweise sehr sinnbildlich und berührend, dann aber auch wieder kalt und grausam schockierend.
Am Anfang hatte ich etwas Schwierigkeiten in die Geschichte zu kommen. Ich wusste nicht, wo diese Erinnerungen hinführen werden und warum der Autor so surreale Elemente ins Spiel gebracht hat. Aber dann hat sich ein Sog entwickelt, durch den ich mich nicht mehr losreißen konnte. Ich bin mir sicher, dass ich nicht alles verstanden habe, mir waren die tiefgründigen Gedanken dann doch oftmals zu sehr versteckt.

Ein Zitat, mit dem Neil Gaiman bei mir einen wesentlichen Nerv getroffen hat

"Erwachsene sehen im Inneren auch nicht wie Erwachsene aus. Äußerlich sind sie groß und gedankenlos, und sie wissen immer, was sie tun. Im Inneren sehen sie allerdings aus wie früher. Wie zu der Zeit, als sie in deinem Alter waren. In Wirklichkeit gibt es gar keine Erwachsenen. Nicht einen auf der ganzen weiten Welt". S 150

Fazit

Die Bewertung fällt mir hier sehr schwer, weil es einerseits eine faszinierend phantastische Reise war, andererseits zuviel ungeklärte Symbolik, die ich im einzelnen, aber nicht im gesamten verstanden habe. Auf jeden Fall werde ich mir noch Gedanken darüber machen.

© Aleshanee
Weltenwanderer