Rezension

Spannend, aber unausgewogen

The Hunger Games - Mockingjay - Suzanne Collins

The Hunger Games - Mockingjay
von Suzanne Collins

„Mockingjay“ ist der dritte und damit letzte Band der erfolgreichen „Hunger Games“-Trilogie, der in Deutschland unter dem Titel „Die Tribute von Panem – Flammender Zorn“ erschienen ist. Natürlich war ich sehr gespannt, was sich die amerikanische Autorin Suzanne Collins für das große Finale ihres dystopischen Bestseller-Dreiteilers ausgedacht hat.

Zum Inhalt: Katniss ist in Distrikt 13 angekommen, der entgegen der offiziellen Version der Regierung von Panem niemals ausgelöscht wurde, sondern in einem unterirdischen Bunker weiter existierte. Peeta jedoch wurde vom Kapitol gefangen genommen. Wird Katniss ihn wieder sehen? Doch vorerst plant Distrikt 13 die Rebellion anzuführen, mit Katniss gut sichtbar an ihrer Spitze, als Antrieb für die anderen Distrikte. Ein Krieg gegen das Kapitol steht unausweichlich bevor…

So viel sei gleich vorweg gesagt: Ja, es wird spannend im letzten Band der dystopischen Trilogie. Spannend und blutig, kompromisslos, überraschend, dramatisch – die Autorin steckt in diesen letzten Teil noch einmal alles, was sich der Leser an atemberaubenden und schockierenden Momenten nur erhoffen kann. Der dritte Band hätte also ein gleichwertiger, würdiger Abschluss werden können - in gewisser Hinsicht war er das auch – und dennoch ist es der schwächste Teil der Reihe.

Meiner Meinung nach fand Collins einfach zu oft nicht das richtige Maß. Einige in den Vorgängerbänden aufgebaute Details wurde zu nichtssagend und unspektakulär aufgelöst, wie etwa das Geheimnis um Präsident Snows „Blut und Rosen“. Anderes wurde so sehr dramatisiert, dass es einfach schon eine Spur zu viel war.

So reichte beispielsweise der Konflikt der Dreiecksbeziehung zwischen der ohnehin nicht gerade Harmonie verbreitenden, wenig romantisch veranlagten Pragmatikerin Katniss, dem liebenswürdigen Peeta und dem mehr und mehr undurchsichtigen, zu radikalen Ansichten neigenden Gale wohl nicht mehr aus. Die Autorin treibt es auf die Spitze, baut eine Nebenhandlung ein, mit der ich einfach nicht warm werden konnte, und erschafft damit unnötigerweise einen Kernpunkt der Handlung, der in diesem Band gar nicht so sehr im Mittelpunkt hätte stehen müssen. Natürlich, die Liebesgeschichte gehörte immer dazu, aber in „Mockingjay“ passiert so viel und nicht allem wird im Handlungsverlauf die nötige Aufmerksamkeit zuteil. Die Liebesgeschichte hatte schon genug Drama, da schoss eine weitere Dramatisierung, wie sie sie nun erfährt, deutlich über das Ziel hinaus.

So wie die Autorin einige Fragen zu langweilig und nichtssagend beachtet und bei anderen deutlich übertreibt, findet sie allerdings auch oft wieder ein gekonntes Maß an Konsequenz und Mut zu unangenehmen Szenen. „Mockingjay“ ist aufwühlend, gerade zum Ende hin, mitreißend und voller Wendung, die zumindest teilweise erstklassig umgesetzt wurden. Nur an der einen oder anderen Stelle wird Collins auch hier ihren Figuren nicht gerecht. Der Spannungsverlauf ist dagegen unangefochten durchgehend hoch, die Handlung ereignisreich, im wahrsten Sinne des Wortes explosiv und die Rebellion nimmt genau die Züge an, die in Anbetracht der Konflikte zwischen Distrikten und Kapitol zu erwarten gewesen waren. Zur Verharmlosung neigt Collins definitiv nicht.

Katniss, die schwierige Ich-Erzählerin, die nicht zuletzt durch ihre berechnende und stets kalkulierende Art so ausdrucksstark und vielschichtig ist, erlebt ein wahres Wechselbad charakterlicher Eigenschaften. Mal sehr verletzlich, dann wieder sehr stark, mal sehr prinzipientreu, dann eine erstklassige Mitläuferin. Am Ende fand die Autorin für sein einen guten Mittelweg, eine Auflösung aller Konflikte, aus dem der Charakter entwickelt und gewachsen hervorgeht, doch leider wurde es auch hier übertrieben. Sie verpasst den Moment, die Figuren loszulassen und bricht ihrer Protagonistin Katniss in einem für die Handlung irrelevanten Ende zumindest teilweise das Rückgrat. Obwohl mit das Ende insgesamt gefallen hat, war es nicht in jeder Einzelheit das, was die starke, immer für sich selbst einstehende Katniss verdient hatte.

Die anderen Charaktere werden ebenfalls zunehmend schwieriger zu fassen und unsteter. Gale, der im ersten Band kaum präsent war, verlor bei mir schon im zweiten zunehmend an Sympathien, sodass ich wenig Bedauern empfand, als sich in mir, jedes Mal wenn er Erwähnung fand, eine Spur gesunden Hasses ausbreitete. Aber Peeta muss unter der Drama-Sucht des letzten Bandes sehr leiden, ebenso einige Nebencharaktere. Snow dagegen wird eindimensionaler und büßt, trotz aller erkennbaren Mühen, Bedrohlichkeit ein. Auch hier verliert die Vorstellungskraft der Autorin ein wenig die Bodenhaftung und überspitzt, wie auch im Fall von Peeta, so sehr, dass es bedauerlicherweise gewollt wirkt.

Fazit: In „Mockingjay“ bringt Suzanne Collins ihre „Hunger Games“ zu einem ausdrucksstarken, ereignisreichen Ende, das jedoch gelegentlich unter einem unausgegorenen Verhältnis aus Übertreibung und nichtssagenden Elementen leidet. Nur Teile der Geschichte werden den beiden Vorgängerbänden gerecht. Dennoch überzeugt das Finale mit Spannung und Konsequenz und bekommt dafür von mir 4 Sterne. Ein guter, aber leider nicht immer runder Abschluss.