Rezension

Spannender Psychothriller wie gewohnt von Katzenbach

Die Anstalt - John Katzenbach

Die Anstalt
von John Katzenbach

Bewertet mit 5 Sternen

Das Böse. Das Grauen. Die Klinik. Vor zwanzig Jahren, als junger Mann, ist Francis Petrel gegen seinen Willen in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden. Mehrere Jahre hat er dort zugebracht – bis die Anstalt nach einer Mordserie geschlossen wurde. Noch immer hört Francis Stimmen, nimmt Medikamente. Die Erinnerung an die traumatischen Geschehnisse von damals ängstigt ihn, und er beginnt aufzuschreiben, was er erlebt hat – mit Bleistift, auf den Wänden seiner Wohnung. Wer war der mysteriöse »Engel des Todes«, der damals sein Unwesen trieb? Gibt es ihn überhaupt? Oder existiert er nur in Francis’ Schreckensphantasien?

So unterschiedlich können die Geschmäcker sein. Viele Rezensenten werfen dem Roman Langatmigkeit und fehlende Spannung vor, mir ging es genau umgekehrt - ein Thriller bereitet mir selten Herzklopfen, hier war es mal soweit. Ein Buch, das mächtigen Anlauf nimmt und mit einem furiosen Showdown endet.

Die lange zurückliegende Mörder-Jagd in der Anstalt ist die eine Schiene - Francis' Albtraum, die Schatten der Vergangenheit, die ihn wieder einholen, während er seine Geschichte aufschreibt, die andere. Denn zuvor halbwegs genesen kommen nun die brüllenden, fauchenden Stimmen wieder, und Francis' Psychosen nehmen erneut Fahrt auf. Das wird zwischen den Kapiteln erzählt und ist nicht minder spannend als die Geschehnisse in der Klinik. Über mehrere Tage entwickelt sich eine lebensbedrohliche Psychose, die parallel zu den damaligen Ereignissen kulminiert.

Ist das Wahn? Realität? Der Leser bleibt lange im Unklaren, was Francis in seiner Wohnung derart zusetzt - genauso unklar bleibt bis zum Ende, wer da eigentlich gejagt wird in der Anstalt. Gibt es überhaupt einen Mörder? Ist es vielleicht sogar Francis selbst? Oder bildet er sich all das nur ein? Finden die Mordserie und die Ermittlungen lediglich in seinem Kopf statt? Wird hier "nur" die unheimliche Geschichte eines psychisch arg gestörten, bemitleidenswerten jungen Mannes erzählt?

Das alles bleibt bis zu den letzten Seiten vollkommen offen. Und dieses Ende hat es in sich. Denn das ist der Vorteil dicker Bücher: Die Auflösung wird nicht mal schnell auf fünf Seiten abgefrühstückt, nein, das Finale erstreckt sich auf über 80 Seiten - die Beteiligten bringen sich in Stellung, schärfen die Schwerter, machen sich bereit zum großen Kampf, gegen ein Phantom, gegen einander, gegen sich selbst. Dass zuvor schon mal 300 Seiten zwischen dem ersten und dem zweiten Mord liegen, stört mich nicht im Mindesten.

Katzenbach kann elegant, pointiert und ohne jede Effekthascherei schreiben, die Darstellung der geisteskranken Patienten und einer psychiatrischen Anstalt in den '70ern ist realistisch und kein bisschen voyeuristisch. Und Katzenbach spendiert uns ein paar Sätze, die einen mit der Zunge schnalzen lassen. Und dieses Verlangen, es jetzt aber wissen zu müssen, obwohl es zwei Uhr nachts ist und man immer noch 50 Seiten vor sich hat.

Ein intelligenter, umfangreicher Schweißhände-Thriller: Volle Punktzahl.