Rezension

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Suche nach Heimat

Der Russe ist einer, der Birken liebt - Olga Grjasnowa

Der Russe ist einer, der Birken liebt
von Olga Grjasnowa

Bewertet mit 4.5 Sternen

Mascha Kogan kann aufgrund ihrer verschiedenen nationalen, religiösen und kulturellen Identitäten scheinbar überall leben, doch einer Heimat fühlt sie sich nicht verbunden. Der Verlust ihrer Heimat, den sie schon mit acht Jahren erleben musste, begleitet sie als schmerzliche Wunde durch ihr Leben. Mascha und ihre Familie flohen vor dem ethnisch motivierten Bürgerkrieg in Baku und kamen als Kontingentflüchtlinge nach Deutschland. Schon früh lernte Mascha, dass Heimat nicht Sicherheit bedeutet und ein gewisses Gewaltpotenzial in sich birgt.

"Wonach ich mich sehnte, war ein vertrauter Ort. Eigentlich hielt ich nichts von vertrauten Orten - der Begriff Heimat implizierte für mich stets den Progrom."

Dennoch sucht Mascha nach Sicherheit und Geborgenheit, die wesentliche Kennzeichen des traditionell-konservativen Heimatbegriffs sind. Sie findet sie bei Elias. Er ist der Mensch, der ihr Halt im Leben gibt. Sein plötzlicher Tod wirft Mascha vollkommen aus der Bahn. Sie flüchtet sich nach Israel und in zahlreiche Beziehungen, mit denen sie versucht die Nähe zu Elias zu ersetzen. Doch auch hier findet sie keine Heimat...

Mascha erscheint in Olga Grjasnowas Roman "Der Russe ist einer, der Birken liebt" als rastlose Kosmopolitin. Sie erkennt schnell, dass Sprache in einer globalisierten Welt Macht bedeutet und nimmt ein Dolmetscher-Studium auf. Sie beherrscht fünf Fremdsprachen fließend. Das bloße Übersetzen gibt Mascha einen gewissen Halt, da sie es kontrollieren kann: "Ich versuchte die Leere in mir mit Vokabeln zu füllen". Beim Dolmetschen muss sie nichts deuten, nichts interpretieren - nur übersetzen.

Das Verhalten der Protagonistin Mascha ist nicht immer nachvollziehbar. Aber genau das ist das besonderes dieses Romans! Olga Grjasnowa beabsichtigt nicht, dass man sich mit den Figuren identifizieren kann. Es geht nicht darum, ob wir selbst so handeln würden wie Mascha. Der Roman soll zum Nachdenken anregen - Und das ist Olga Grjasnowa eindrucksvoll gelungen.