Rezension

Tage zwischen Ebbe und Flut

Tage zwischen Ebbe und Flut - Carin Müller

Tage zwischen Ebbe und Flut
von Carin Müller

Rezension zu Tage zwischen Ebbe und Flut von Carin Müller

 

Titel: Tage zwischen Ebbe und Flut 

Autor: Carin Müller

Verlag: Droemer Knaur

Genre: Gegenwartsliteratur/Unterhaltungsroman

Preis: 9,99 €

Erscheinungsdatum: 01.09.2016

Isbn: 978-3426519738

 

Mir wurde das Buch im Zuge einer Leserunde auf Lovelybooks freundlicherweise durch die Community zur Verfügung gestellt.

 

Inhalt:

 

Felix ist 70 Jahre alt. Er spricht aus, was niemand zu sagen wagt, und tut, was sonst niemand tun würde. Seine Erinnerungen sind wie Wellen in seinem Kopf, wogend, nicht festzuhalten. Denn Felix hat Alzheimer. Um ihm einen Herzenswunsch zu erfüllen, machen seine Ehefrau Ellen, seine Tochter Judith und seine Enkelin Fabienne mit ihm eine Kreuzfahrt. Doch während Felix die Reise als wunderbares Abenteuer erlebt, wird für die drei Frauen die Seereise zu einer Seelenreise durch schwere Gewässer, aber mit Kurs auf sonnige Gefilde.

 

Charaktere und Charakterentwicklung:

 

Die Charaktere wirken überspitzt klischeehaft, was mit Sicherheit genau so gewollt war. Der Roman lässt kaum Raum, die Entwicklung der Figuren wirklich nachzuempfinden. So sehr ich versucht habe, einen Bezug zu ihnen aufzubauen, konnte mir dies lediglich bei dem dementen Felix und seiner Tochter Judith gelingen. Bei Felix ist es allein schon aufgrund seiner Charakterzeichnung nicht möglich, ihn nicht sympathisch zu finden.  Jedoch waren seine Episoden für meinen Geschmack leider zu rar gesät. Sein unfreiwilliger Ausflug auf ein anderes Schiff haben viele Punkte wieder gutmachen können. Judith ist mir als einzige richtig nahe gegangen, weil sie zum einen Einen die Hauptcharakterin ist. Die meisten Seiten nehmen ihr Empfinden und ihre Gedanken ein, so dass man sich gut auf sie einlassen konnte. Hinzu kommt, dass unsere familiären Verhältnisse sehr ähnlich sind und ich viele ihrer Gefühlsempfindungen nachvollziehen konnte. Zwei weitere wichtige Figuren sind Felix’ Frau Ellen, sowie deren Enkeltochter Fabienne (Fabienne ist nicht die Tochter, sondern die Nichte von Judith). Ellens Charakter wurde bewusst widersprüchlich gestaltet, um den schwierigen Umgang mit einem an Alzheimer Erkrankten darstellen zu können. Die Pflege und das Zusammenleben haben sie gezeichnet, jedoch merkt man aufgrund der Spannungen, die zwischen ihr und ihrer Tochter Judith bestehen, dass es Ungereimtheiten bereits schon in der Vergangenheit gab. Wer die Serie Gilmore Girls geschaut hat, wird in den beiden Charakteren Emily und Lorelai mit Sicherheit wiederkennen. Mir ging es zumindest so. Besonders bei ihr ging mir die Charakterentwicklung zu schnell voran. Bei Fabienne hatte ich große Schwierigkeiten, mir eine (was stets betont wurde) fast Achtzehnjährige vorzustellen, da ihr Verhalten doch sehr klischeehaft auf Teenager angesetzt war. Für mich war sie leider die überflüssigste Person in der Geschichte und dass auch sie einen Wandel durchlebt wirkte dahingehend noch aufgesetzter. Die übrigen Charaktere um die Familie Kaufmann wirken so, als ob sie einzig für deren theraoptische Zwecke dorthin platziert wurden. Leser der Autorin werden diese jedoch aus ihren früheren Werken wieder erkennen und sich über ein Wiedersehen erfreuen.

 

Wer mich kennt wird, kennt auch mein Motto „I like big books and I cannot lie“. Ich mag es einfach, wenn Geschichten Zeit finden, sich zu entfalten um ihren wahren Kern zu offenbaren. Dennoch konnten mich auch „dünne Bändchen“ schon häufig positiv überraschen, aber auf diesen 275 Seiten hatten die vielen Charaktere kaum Zeit, ihre Entwicklung glaubhaft schildern zu können.

 

Schreibstil:

 

Der Schreibstil ist einfach gehalten, wodurch man das Buch konstant in einem durchlesen kann. Er hat etwas durchgehend positives, selbst wenn ein Streitgespräch stattfindet. Ich fühlte mich dadurch oft von den Figuren distanziert. Die Emotionen, die bei einer Auseinandersetzung den Leser direkt treffen sollten, konnten sich dadurch nicht bei mir einstellen. Jedoch ist der Stil des Buchs für ein sog. Wohlfühl-Urlaubsbuch genau passend und macht auch sicher den Reiz der Lektüre aus. Die Beschreibung der auf der Kreuzfahrt besuchten Orte wurde detailliert und anschaulich geschildert und ich hätte mir auch von diesen noch weitere gewünscht.

 

Zitat:

 

„Manchmal sind die Wellen sanft und regelmäßig, und dann gibt es wieder wilde Stürme und das Wasser türmt sich meterhoch auf.“ - Seite 36

 

Fazit:

 

„Tage zwischen Ebbe und Flut“ ein ein Unterhaltungsroman, der sich auf ein in der Gesellschaft tabuisiertes Thema, namentlich Alzheimer, eingelassen und dies dahingehend gut umgesetzt hat. Aufgrund der rasanten Erzählabfolge konnten nicht alle Charaktere bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen, aber die - zumindest in meinen Augen - beiden wichtigsten Personen, wurden gut in Szene gesetzt. Ich habe mich gut in den dementen Vater hineinversetzen können und die wenigen tiefergehenden Augenblicke, in denen man seine eigene Betrübtheit über die Krankheit spürt, haben mir wirklich hervorragend gefallen. Der ein oder andere wird es vielleicht für gewagt halten, das Thema Alzheimer in einem Unterhaltungsroman einzubauen, jedoch ist dies von Autorin gekonnt umgesetzt worden. Für mich persönlich war es der zu schnelle Ablauf der Geschichte selbst, der nicht hundertprozentig überzeugen konnte. Bei vielen Erlebnissen auf der Reise wäre ich gerne dabei gewesen, statt sie in zwei, drei kurzen Sätzen nacherzählt zu bekommen. Aber das Augenmerk sollte höchstwahrscheinlich auf die Personen selbst gelegt werden.

 

Wer den Charme der Traumschifffilme liebt, wird sicher ganz viel Freude an diesem Roman haben. Er hat mir einige nette Lesestunden bereitet und dem Sommer noch einmal aufleben lassen. Zusammengefasst gab es für mich jedoch zu wenig von allem, um dem großen Ganzen die volle Punktzahl geben zu können. 

 

3,5 von 5 Sterne