Rezension

The great american novel?

Die Kunst des Feldspiels
von Chad Harbach

Bewertet mit 4.5 Sternen

Die Zeiten des bangen Wartens sind vorüber. Hier ist er, der große amerikanische Roman.

„Er wusste, dass es verrückt klang, wenn man es so sagte. Perfekt sein zu wollen. Zu wollen, dass alles perfekt war. Aber in diesem Moment kam es ihm vor, als wäre das der einzige Wunsch, den er seit seiner Geburt gehabt hatte. Vielleicht war es nicht einmal Baseball, was er liebte, sondern nur diese Vorstellung von Perfektion, von einem ganz und gar einfachen Leben, in dem jede Bewegung zählte, und Baseball war nur das Medium, durch das er sein Ziel erreichen konnte. Hätte erreichen können."

 

 

 

Lange Zeit verging bis Chad Harbach endlich sein Debüt vorlegte. Der Vorschuss betrug etwa 665.000 Us-Dollar. Für seinen ersten Roman. Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Schaut man einen Schritt weiter so findet man "The art of fielding" auf den Bestsellerlisten der New York Times wieder, in höchsten Tönen gelobt von Schriftstellerkollegen und Kritikern.

Aber was ist es eigentlich für ein Roman? Manchmal heißt es Sport-Roman, Coming-of-age-Roman, College-Roman, aber das alles ist viel zu wenig um dieses Buch zu beschreiben.

Leider wird dieses Buch dementsprechend schnell in eine Schublade gesteckt. Hier sind wir an einem kritischen Punkt. Das Milieu des Romans ist das Baseballspiel. Aber nun darf man sich daran nicht aufhalten. Man muss Baseball weder mögen noch verstehen um diesen Roman zu lieben. Einige Spielschilderungen wird man ertragen müssen und vielleicht einige Momente des Spielgeschehens nicht nachvollziehen können, aber das darf wahrlich kein Grund sein um sich diesen grandiosen Roman entgehen zu lassen.

Denn dieser Roman ist ein Meisterwerk über das menschliche Wesen. Über Hoffnung und Scheitern, Verzweiflung und Glück, Mitleid und Vergeltung.

Meisterhaft ist ebenfalls der Stil. Er ist glatt und fließend wo er es sein soll, hat aber in den richtigen Momenten ein Quentchen Poesie und Pathos zur Hand. Harbach hat eine ausgeprägte Empathie und verleiht den Figuren eine authentische Stimme. Bewegende Erzählkunst.

Der junge Protagonist Henry Skrimshander sieht einer steilen Karriere entgegen, denn er ist ein sportlerisches Jahrhunderttalent. Es folgen Entdeckung durch Talentscouts, Umwerbung durch verschiedene Universitäten und ein Stipendium. Es läuft alles fantastisch, bis zu diesem einen unheilvollen Tag. Ein Fehler des Unfehlbaren. Henry  wird von einem Moment auf den anderen von Selbstzweifeln überrollt.

Aber natürlich ist Henry nicht der einzige faszinierende Charakter dieses einzigartigen Buches. Dort gibt es zum Beispiel noch den Trainer des Westish-Colleges: Mike Schwartz. Ein getriebener Mann, vom Leistungssport zerschunden, schmerzmittelabhängig. Die Tochter des Rektors: Pella Affenlight. Eine junge Frau, die nach einer missglückten Liebe einen Neuanfang sucht. Und schließlich den Rektor selbst, Guert Affenlight, der spät in seinem Leben noch eine andere Seite an sich selbst entdeckt, welche ihm nicht nur Glück bringen wird. 

Das Westish-College als Mikrokosmos der Gescheiterten und Wiederauferstandenen. 

Ich traue mich fast nicht dies zu schreiben, aber dieses Buch hat ein wenig meine Weltsicht beeinflusst. Besonders bezüglich der Bedeutung bestimmter Aspekte des Lebens. Literatur als Mutmacher.

Bewertung: 4,5/5