Rezension

Mehr davon!

Die Kunst des Feldspiels
von Chad Harbach

Bewertet mit 4 Sternen

Man sieht es ihm nicht ab, aber Henry hat ein unglaubliches Talent für Baseball. Er scheint voraus zu ahnen, wo der Ball landet und tanzt beim fangen elegant übers Spielfeld. Was ihm fehlt sind die sportlertypische muskulöse Statur und Selbstbewusstsein. Letztere Attribute hat Mike Schwartz zu genüge: Er rackert sich schon seit Jahren gleichzeitig für die Football- und Baseballmannschaft seines Colleges ab. Nebenbei schreibt er seine Abschlussarbeit in Jura. Er hat große Pläne für sein Leben und als er Henry spielen sieht, weiß er, dass mit ihm die eher mittelmäßige Baseballmannschaft eine echte Chance auf Erfolg haben könnte. Doch nach einem einzigen missglückten Wurf droht Henry fast an seinen Selbstzweifeln zu zerbrechen.

Harbachs gelungener Debütroman spielt am kleinen, heimeligen College Westish im Nordosten Wisconsins. Neben Mike und Henry lernen wir noch Henrys Mitbewohner Owen, College-Direktor Guert Affenlight und dessen Tochter Pella kennen, deren Geschichten sich im Laufe des Romans mehr und mehr miteinander verflechten. Allen gemein sind die Liebe zu ihrem Collage und die Stolpersteine auf ihrem Lebensweg. Dabei ist Westish mit seinen Wohnheimen, den Grünanlagen, den Pullovern und Krawatten in Mannschaftsfarben, der Melville Statue und dem nahe gelegenen See so plastisch beschrieben, dass es fast echt erscheint.

Auch wenn ich nur rudimentäre Kenntnisse von Baseball habe und der Roman sich nicht damit aufhält, Laien die Spielregeln auseinanderzusetzen, hatte ich bei der Lektüre viel Spaß! Der Teamgeist sowie die Konflikte innerhalb der Mannschaft sind anschaulich beschrieben. Es grenzt an Wahnsinn, wie sehr sich einige Jungs – allen voran Mike Schwartz – für den Amateursport ihre Gesundheit ruinieren. Sport ist Mord. Aber auch die Erhabenheit und die pure Freude, die er auslösen kann, kommen besonders an Henrys Beispiel gut rüber. Aber auch neben dem Baseball bietet der Roman gute Unterhaltung! So hat mir die Geschichte des charmanten und smarten Direktors Affenlights ausgesprochen gut gefallen.

Harbach schreibt mit einigem Witz, er erschafft eine angenehme heimelige Atmosphäre und doch ahnt man beim lesen, dass bald etwas gewaltig schief gehen wird. Die Figuren sind liebenswert, haben aber alle ihre Fehler und man kann wunderbar mit ihnen leiden.

Mein einziger Kritikpunkt betrifft eigentlich nur die letzten 50 Seiten. Es war mir im Vergleich mit dem bis dahin absolut gelungenen Roman einfach nicht rund genug. Ich hätte mir ein bisschen mehr Selbsterkenntnis gewünscht, ein bisschen mehr Reflektion der eigenen Fehler, ein bisschen mehr Blick auf das Zwischenmenschliche. Über der letzten großen Wendung der Geschichte ging das meiner Meinung nach etwas unter.

Ob Sportfan oder nicht: Die Kunst des Feldspiels ist ein absolut lesenswerter Roman über Freundschaft, Erfolgsdruck und in gewissem Sinne dem Sinn des Lebens. Es ist herzzerreißend, es ist witzig, ein klein wenig skurril und größtenteils einfach schön. Gerne mehr davon!

Kommentare

wandagreen kommentierte am 26. April 2021 um 18:31

Mit dem Schluß hast du auch recht. Wie machst du das nur, die meisten Leserinnen werden erst mit 40 erwachsen.

wandagreen kommentierte am 26. April 2021 um 18:32

:DDD