Rezension

Tod eines Schmetterlingszüchters

Später Frost - Roman Voosen, Kerstin Signe Danielsson

Später Frost
von Roman Voosen Kerstin Signe Danielsson

Bewertet mit 4.5 Sternen

„Palmen, Farne, mannshohe Büsche – es sah aus wie in einem Urwald. Da waren Bananenstauden, ein Zitronenbaum und spanisches Moos. An der Decke liefen metallene Heizungsrohre entlang, zwei Wasserleitungen, und dort war ein Zerstäuber. Sie stand jetzt direkt vor einem Bassin mit Zierfischen. Ein Koikarpfen schwamm an der Wasseroberfläche und schnappte nach Luft. Er war orange und weiß, und wenn er schnappte, öffnete er das Maul zu einem großen »O«. Langsam ging Forss um das Becken herum. Sie wischte sich Schweißtropfen von der Stirn, vielleicht war es aber auch nur Kondenswasser. Dann sah sie den Toten. Der Leichnam lehnte sitzend, in aufrechter Position, an einem Stapel aus Säcken mit Blumenerde. Der Kopf war in den Nacken gerutscht, das Kinn stand vor wie eine Zinne. Der Mund war offen, als wolle der Tote das Wasser aus der Luft seines Tropenhauses saugen. Doch am auffälligsten waren die Augen. Der Mann hatte keine Augen mehr. Dort, wo sie einmal gewesen waren, befanden sich nur noch zwei milchig eingetrübte Kugeln. Keine Pupillen, keine Farben, kein Blick. Gar nichts. Wie eine fürchterliche Puppe saß er da. Einer der Augäpfel war so zerstört, dass er begonnen hatte auszulaufen. Das Gewebe in der Augenhöhle, rund um die Nase und rund um den Mund war rot wie gekochtes Krebsfleisch und angeschwollen, als hätte den Toten ein Wespenschwarm überfallen. Es war nur noch zu erahnen, wie er einmal ausgesehen hatte.“

Der grausame Tod des alten Mannes schockiert das gesamte Team um Hauptkommissarin Ingrid Nyström. Der Ort der Handlung, die südschwedische Stadt Växjö, ist eigentlich ein ausgesprochen ruhiges Pflaster. An einem Sonntag hat hier nicht einmal ein Restaurant geöffnet. Gerade hat Nyström noch der neuen, frisch aus Berlin kommenden Kollegin Stina Forss erklärt, dass sie hier so gut wie nie eine Waffe benötigen würde – und nun das! Ganz offensichtlich wurde der alte Mann auf furchtbare Art zu Tode gefoltert. Allen Befragten ist der passionierte Schmetterlingszüchter nur als gebildeter und „gütiger“ Mensch in Erinnerung, die Suche nach dem Täter wird folglich nicht einfach werden…

 

Dieser Schwedenkrimi bescherte mir ein ausgesprochen kurzweiliges Lesevergnügen. Im Grunde stimmte alles: Es gibt einen aufsehenerregenden Fall, eingebettet in eine faszinierende Umgebung und aufzuklären von einem Team, das sich durch gleich mehrere interessante Charaktere auszeichnet. Die grausame Tat und das arme Opfer machten mich sofort neugierig auf den Täter und sein Motiv.

Was den Täter angeht, bekommt der Leser frühzeitige Einblicke durch Abschnitte, die aus Tätersicht geschrieben sind. Angenehm verwirrend ist dabei aber, dass es sich um zwei grundverschiedene Personen handelt, die offenbar auch nichts miteinander zu tun haben. So kann man sehr lange rätseln, wer von den beiden nun wie an der Tat beteiligt ist. Und die Frage nach dem „Warum“ bleibt ebenfalls lange offen. Immer wieder gibt es mögliche Ansatzpunkte – und immer wieder scheinen die Nachforschungen in die Irre zu laufen. Das einleitende Kapitel im Buch spielt im Jerusalem des Jahres 1948. Es wird lange dauern, bis erste Verbindungen dazu geknüpft werden können.

 

So bleibt es also spannend – das gefiel mir sehr. Was mir ebenfalls gut gefiel, waren die Charaktere der Ermittler. Es heißt, dass es sich hier um den ersten Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss handelt und tatsächlich stehen diese beiden sehr verschiedenen Frauen meist im Zentrum der Ermittlungen. Sie wären aber nichts ohne ihr Team, das wird sehr deutlich. Entsprechend verfolgen wir auch die Nachforschungen der Kolleginnen und Kollegen, alle sehr unterschiedlich in ihrer Art und jede/jeder von ihnen mit ganz eigenen Stärken und Schwächen. Ich fand sie im Grunde alle sehr sympathisch. Auch private Probleme der einzelnen Personen klingen an und ich bin gespannt, wie es da in dem einen oder anderen Fall weitergehen wird.

 

Die Auflösung schließlich war schlüssig und führte den rätselhaften Fall noch mal zu einem überraschenden Ende. Jetzt freue ich mich, dass der Folgeband schon bei meinen ungelesenen Büchern wartet.

 

Fazit: Spannender Schwedenkrimi mit interessanten Charakteren und viel Stoff zum Miträtseln.