Rezension

Tolles Frauenporträt über eine starke Frau

Die Frau, die allen davonrannte - Carrie Snyder

Die Frau, die allen davonrannte
von Carrie Snyder

Bewertet mit 4.5 Sternen

Aganetha Smart ist inzwischen 104 Jahre alt und lebt in einem Altersheim. Dort herrscht der triste Alltag. Sie, deren ganzes Leben von ihrer großen Leidenschaft dem Laufen geprägt wurde, ist inzwischen auf den Rollstuhl angewiesen. Doch dann wird diese Tristesse durchbrochen: zwei junge Leute, Max und Kaley, besuchen sie im Altersheim und"entführen" sie. Sie wollen angeblich einen Film über Kaley drehen, die eine Karriere als Marathonläuferin anstrebt. 

In Rückblenden erfährt man immer mehr aus Aganethas Leben: Sie ist das jüngste Kind einer kanadischen Bauernfamilie. Das Leben ist hart. Einige ihrer Halbgeschwister sterben durch Krankheiten oder Krieg. Immer wieder würde sie am liebsten davonlaufen. Sie powert sie durch das LAufen immer wieder aus, um mit den ganzen Schicksalsschlägen zurecht zu kommen. Durch Zufall wird ihre Laufbegabung entdeckt und sie kommt in einem (privaten) Förderteam. Höhepunkt ihrer jungen Karriere sind die Olympischen Spiele 1928 in Amsterdam! Sie gewinnt dort eine Goldmedaille. Doch schnell wird ihr Leben von der Wirklichkeit eingeholt: Der Börsencrash von 1929 und die damit verbundende Wirtschaftskrise lassen ihren Förderer pleite gehen und damit gibt es auch kein Team mehr.

Je weiter man liest, um so mehr fragt man sich, was die beiden jungen Leute, die mit Aganetha mit in ihre Vergangenheit reisen, wiklich wollen. Warum zeigen sie ihre die Orte ihrer Kindheit?

Der Roman ist sehr gelungen. Das Schicksal der Aganetha Smart ist sicherlich in einigen Punkten kein typisches Frauenschicksal zu der Zeit gewesen. Die Begabung, die sie hatte und mit der es ihr damals gelungen ist, aus ihrem tristen Leben auszuscheren, hatte ja nicht jede Frau. Ich finde, der Autorin ist es hervorragend gelungen, ihre Protagonistin zu charakterisieren. Viele Schwierigkeiten, die Frauen in den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts hatten, sind toll dargestellt. Umso bewundernswerter finde ich es, wie Aganetha unbeirrt ihren Weg geht. Und tatsächlich scheint es bis zum Schluss zu klappen, dass sie ihrem Geheimnis, das sie viele Jahrzehnte in sich trägt, davonzulaufen.

Der Schreibstil ist sehr gelungen. Der Wechsel zwischen den zwei Handlungssträngen baut die Spannung der Geschichte auf. Ein Handlungsstrang spielt im Jahr 2012. Der zweite erzählt immer wieder Aganethas Vergangenheit. Er nimmt auch den größeren Teil ein.

Ich kann dieses Buch sehr weiterempfehlen. Es lohnt sich zu lesen.