Rezension

Trotz anfänglicher Schwächen ein spannender Genremix

Alif der Unsichtbare - G. Willow Wilson

Alif der Unsichtbare
von G. Willow Wilson

In einer nicht näher benannten arabischen Großstadt am Meer lebt Alif, ein junger Hacker, dessen Leben bisher ohne nennenswerte Höhepunkte verlief und der von seinen außerordentlichen Fähigkeiten am Computer ganz gut leben kann - bis er sich in eine Frau aus gutem Haus verliebt. Durch ihre Hände erhält er ein außergewöhnliches Buch, das der Schlüssel zur Veränderung der gesamten Informationstechnologie und damit ein großes Machtinstrument zu sein scheint. Damit hat er plötzlich mächtige Gegner aus den Reihen der faschistischen Regierung gegen sich, aber auch Hilfe in Gestalt einer viel älteren und mysteriösen Daseinsform wird ihm zuteil, nämlich der Dschinn. Eine abenteuerliche Flucht aus der Stadt ins Dschinnland nimmt ihren Lauf...

Ausgezeichnet mit dem World Fantasy Award als “Bester Roman des Jahres” versprach dieses Buch eine außergewöhnliche Lektüre zu werden, zumal das Setting mitten im arabischen Frühling mal etwas ganz anderes ist als die üblichen Fantasywelten. Trotzdem tat ich mich ziemlich schwer damit und war zeitweise nahe dran, es abzubrechen. 

Das liegt vor allem an dem holpringen Start, der sich für mich über nahezu das erste Drittel des Buches zog. Ich kam vor allem mit Alif als Hauptprotagonist überhaupt nicht klar; seine weinerliche, wehleidige Art und sein egoistisches männliches Denken taten mir regelrecht weh beim Lesen. Gut, dass er von Anfang an in der cleveren Dina eine weibliche Figur zur Seite gestellt bekam, die Leserinnen wie mich bei der Stange halten, sonst wäre das echt schief gegangen.

Auch der Sprachstil stieß bei mir auf wenig Begeisterung. Ob dies nun der Übersetzung geschuldet oder ob der Originaltext schon so sperrig ist, machte für mich nach einer Weile keinen Unterschied, ich fand es einfach nur mühsam zu lesen. Zum Glück flutscht die Sprache besser, sobald ein wenig mehr Action ins Spiel kommt, aber bis zu diesem Zeitpunkt musste ich schon eine lange Durststrecke durchstehen.

Wie durch ein Wunder platzt plötzlich der Knoten und ich befand mich in einer rasanten und fulminanten Story, die endlich funktioniert und einen steilen Spannungsbogen aufweist. Der Genremix aus Thriller, Mystery und Computerkrimi wirkt frisch und innovativ, die politischen und religiösen Einflüsse auf die Handlung bringen einen philosophischen Ton in die Geschichte. Den phantastischen Anteil fand ich sehr gelungen, den die Autorin greift nicht auf altbekannte, abgedroschene Motive zurück. Vielmehr schafft sie eine völlig neue Perspektive auf bekannte Phantastikwesen wie die Dschinn, Ifrit, Dämonen und Flaschengeister, verknüpft ihre Existenz wiederum mit der islamischen Religion und ihren Mythen, so dass das Ganze plötzlich wie aus einem Guss erscheint.

Die Entwicklung, die Alif und seine Begleiter über die Handlung hinweg durchmachen, wirkt glaubhaft und schlüssig. Am Ende ist er nicht mehr der weinerliche Waschlappen, sondern ein gestandener Mann, der Rückgrat beweist und als Held der arabischen Revolution hervorgeht. Diese Wandlung geht ganz sachte Schritt für Schritt voran, so dass ich es als Leserin gut nachvollziehen konnte. Interessante Details aus der arabischen Kultur bereichern die Geschichte und sorgen für die passende Atmosphäre. 

Mein Fazit:

Schade für den verpatzten Anfang, ohne diesen hätte dieser Roman ein echtes Highlight werden können. Trotzdem empfehle ich ihn gerne an experimentierfreudige PhantastikleserInnen weiter, auch an Fans von Mystery-Thrillern; aber mit dem Hinweis, sich vom ersten Drittel nicht abschrecken zu lassen und dranzubleibend, es lohnt sich!