Rezension

Überraschend, revolutionär, und fein gezeichnet

Die Herrin von Wildfell Hall - Anne Bronte

Die Herrin von Wildfell Hall
von Anne Brontë

Bewertet mit 5 Sternen

Augenblicklich bin ich viel zu ehrfürchtig, um eine angemessene Rezension dieses Buches zu schreiben. Anne Bronte ist genial! "Die Herrin von Wildfell Hall" deckt dermaßen ungeschminkt die krasse Ungleichbehandlung der Geschlechter im 19. Jahrhundert auf, dass der damaligen Veröffentlichung ein Aufschrei der Empörung von Seiten der etablierten Kritik folgte.

Während Anne Bronte in ihrem ersten Roman "Agnes Grey" die Verhältnisse der gehobenen Gesellschaftsschicht noch aus Sicht der untergebenen Hauslehrerin schildert, versetzt sie den Leser in ihrem zweiten Roman in die Gefühlswelt der "Herrin". Den Kunstgriff, den Roman ausschließlich aus Briefen und Tagebuchaufzeichnungen der beiden Protagonisten zusammenzusetzten, beherrscht sie gekonnt.

Es gelingt mir nicht wirklich, mehr Stichhaltiges über den Inhalt zu schreiben, ohne zu viel zu verraten (genausowenig wie es mir gelingt, die Pünktchen auf dem "e" von "Bronte" zu erzeugen); daher lasse ich es. Der unvoreingenommene Leser lässt sich am besten selber vom Verlauf überraschen, so wie es mir auch ergangen ist.

Selbstverständlich handelt es sich um Literatur des 19. Jahrhunderts, für die man eine gewisse Offenheit mitbringen muss, da das Zeitgefühl von Lesern und Autoren damals noch nicht von Filmschnitten und Flashbacks geprägt war, sondern von Kutschenfahrten und Spaziergängen. Und noch eine weitere Warnung sei ausgesprochen: während einige Zeitgenossen einst den Roman als unverblümt und unmoralisch empfanden, wird der heutige Leser einiges möglicherweise moralisierend finden oder gewisse Empfindlichkeiten oder Umständlichkeiten des Denkens vielleicht aus heutiger Sicht nicht genügend nachvollziehen können. Wer sich hier aber ein Minimum an Toleranz zutraut, dem empfehle ich wärmstens, sich an diese spannende, revolutionäre und immer wieder überraschende Lektüre zu wagen.

Es sei noch angemerkt, dass sich in der leider vergriffenen Manesse-Ausgabe ein sehr lesenswertes Nachwort von David Wells befindet.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 17. Oktober 2014 um 09:59

Sehr nett beworben!

Arbutus kommentierte am 15. März 2015 um 23:37

Sehr nett kommentiert!