Rezension

Ungewöhnlich und absolut lesenswert

Die Ermordung des Commendatore 01 - Haruki Murakami

Die Ermordung des Commendatore 01
von Haruki Murakami

Bewertet mit 5 Sternen

Ein namenloser Protagonist und ein gesichtsloser Mann begegnen einander in Haruki Murakamis „Die Ermordung des Commendatore 01 – Eine Idee erscheint“. Der Protagonist – ein einigermaßen erfolgreicher Porträtist – muss sein Leben neu ordnen. Seine Frau hat ihn verlassen, er lehnt es ab, weiterhin Porträts zu malen und fährt ziellos umher, bis sein Wagen schlapp macht. Sein alter Studienfreund bietet ihm an, ihn zeitweise in dem abgelegenen Haus seines Vaters wohnen zu lassen. Der war einst ein erfolgreicher Künstler, leidet inzwischen aber an Demenz. Der Protagonist genießt die Zurückgezogenheit, doch eines Tages erreicht ihn ein Anruf seines Agenten, der ihm von einem lukrativen Angebot berichtet, dass der Protagonist nicht ausschlagen kann. Er erklärt sich bereit, den reichen Wataru Menshiki zu malen. Doch es will ihm nicht gelingen, er kann sein Gesicht nicht erfassen. Und dann ist da noch das beeindruckende, aber auch Fragen aufwerfende Gemälde „Die Ermordung des Commendatore“, das er auf dem Dachboden gefunden hat, und noch etwas anderes, das ihn nachts nicht schlafen lässt.

Nachdem man den Klappentext und den Prolog des Buches gelesen hat, erwartet man möglicherweise einen anderen Verlauf der Geschichte. Zumindest ging es mir so. Und, keine Frage, „Die Ermordung des Commendatore 01“ spart nicht an Mystik. Sie ist allerdings lange Zeit nicht ganz so offensiv, wie man zu Beginn der Geschichte meinen könnte. Man hält kein Buch in den Händen, das man dem Fantasy-Genre zuordnen würde.

Das Buch strahlt, trotz der seltsamen Geschehnisse, eine angenehme Ruhe aus und folgt einem eher gemächlichem Tempo, ohne jemals langweilig zu werden. Die Charaktere wirken realistisch. Und auch, wenn manchmal das Gefühl bleibt, dass der Protagonist etwas zu gelassen auf all das, was um ihn herum passiert, reagiert, wirkt es doch nie unglaubwürdig. Vielmehr scheint es mir ein Stilmittel zu sein, das durchaus besonders gut zu gefallen vermag. Alles scheint sich an die Atmosphäre eines abgelegen in der Natur liegenden Ortes anzupassen.

Die Geschichte lässt dem Protagonisten Zeit, gleichsam seinen Erinnerungen nachgehen zu können – und so dem Leser vertrauter zu werden – und sich mit seiner aktuellen Situation auseinanderzusetzen. Man fühlt sich ihm verbunden. Er ist ein ganz normaler Mann, dem nicht ganz so normale Dinge passieren. Und gerne rätselt man mit, inwieweit all das, was er sieht, wirklich echt ist.  

Der Schreibstil Murakamis hat einen besonderen Unterton, der perfekt zu der Geschichte passt. Angenehm sanfte Metaphern sorgen für Bildhaftigkeit, die nie überzogen wirkt. Die Erzählweise des Protagonisten scheint manchmal distanziert, ohne emotionslos zu wirken. Ein Spagat, der sicherlich nicht einfach ist.

Es gibt eigentlich nur eine Sache, die mir beim Lesen etwas unangenehm war. Viel häufiger als in anderen Büchern, die ich kenne, wird hier auf Kursivschrift zurückgegriffen, um Textstellen und Worte hervorzuheben. Das empfand ich manches Mal sogar als irritierend, da ich mir die Betonung des Gesagten gänzlich anders vorgestellt hatte. In Anbetracht der vielen positiven Aspekte ist dies jedoch nur ein kleiner Kritikpunkt.

Ich halte den ersten Teil von „Die Ermordung des Commendatore“ für absolut lesenswert. Es ist ein Buch, das sich von anderen abhebt, ohne auf Bombast zu setzen. Eine ruhige, nicht minder fesselnde Geschichte mit einem Hauch Mystik, in der die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verschwimmen. Ich bewerte dieses Werk mit 5 Sternen.