Rezension

Ungewöhnlich und außerordentlich gut

Apeirogon - Colum McCann

Apeirogon
von Colum Mccann

Bewertet mit 4.5 Sternen

Zuerst einmal hat mich der Titel irritiert. Was ist das - "Apeirogon"? Ein Objekt mit einer „beobachtbar unendlichen Anzahl von Seiten“ - sagt mit nichts.

Dafür hat mich die Geschichte umso mehr fasziniert und auch die Form ist sehr ungewöhnlich. Aufgeteilt in genau 1001 Abschnitte, die spiegelbildlich gezählt werden, manche nur ein Satz, ein Zitat, ein Bild umfassen, andere ausführlich über mehrere Seiten gehen.

Zwei Väter sind die Hauptpersonen des Buches: Rami, ein Israeli, hat seine Tochter bei einem Bombenanschlag verloren. Bassam, ein Palästinenser, hat seine Tochter durch den gezielten Schuss eines israelischen Soldaten verloren. Nun treffen sie sich bei einer Veranstaltung für verwaiste Eltern in einem Kloster und erzählen die Geschichte ihrer Kinder, die Geschichte des Hasses zwischen Israelis und Palästinensern, die Geschichte ihrer Familien. Aber sie wollen sich nicht durch den Hass zerstören lassen und rufen zu einem friedlichen Miteinander ohne Schikanen und Morde auf. Gemeinsam reisen sie als Freunde durch die ganze Welt, um ihr Anliegen zu den Menschen zu bringen. Das bringt ihnen nicht nur Anerkennung ein, sondern oft schlägt ihnen auch Unverständnis und blanker Hass entgegen.

Das Buch hat mich tief berührt. Die Kraft, die in der Gewaltlosigkeit steckt, wird immer spürbar und ist heute wichtiger denn je. Ein Buch, das man gelesen haben muss, um die oft so undurchschaubaren Konfliklinien im Nahen Osten nachvollziehen zu können, und ein tiefes Verständnis für beide Seiten in diesem Konflikt verstehen zu können.

Ich halte das Buch für ein Meisterwerk, das die anderen Werke Colum McCanns noch übertrifft. Er hat sich tief in die Materie eingearbeitet, ausführlich mit Rami und Bassam und ihren Familien gesprochen, genau recherchiert und dann alles wie ein schwieriges Puzzle zusammengefügt, in dem jedes Teil genau seinen Platz gefunden hat. 

Ein Meisterwerk!