Rezension

Ungewöhnliche Protagonistin - spannend

Ponts de Paris - Mara Ferr

Ponts de Paris
von Mara Ferr

„...Sie sind sehr ehrlich, Marie, und ziemlich naiv. Das schätze ich an ihnen. Sie sind außerdem leicht lenkbar und zu lethargisch, um selbstständig zu denken...“

 

Marie Croix hat einen enormen gesellschaftlichen Abstieg hinter sich. Die einstige Gattin eines gefragten Schönheitschirurgen erbt nach dessen Tod nicht nur seine immensen Schulden. Es sind von vier Patienten auch Schadenersatzklagen anhängig. Marie flieht nach Paris, kommt dort aber nicht wieder auf die Beine, sondern reiht sich mit ihren 47 Jahren n das Heer der Obdachlosen ein. Allerdings hält sie sich von Drogen und Alkohol fern und nimmt gegebenenfalls gemeinnützige Jobs an, die von Pater Francois vermittelt werden.

Über Pater Francois wird ihr nun erneut eine Arbeit angeboten. Doch dieses mal ist es anders als sonst. Ein Unbekannter wird sie mit einem Taxi abholen.

Die Autorin hat einen spannenden und ungewöhnlichen Krimi geschrieben.

Die Personen werden gut charakterisiert. Zu Marie ist das Wichtigste gesagt. Ihr Arbeitgeber ist von sich eingenommen, arbeitet mit Erpressung und nutzt die primitivsten Gelüste der Gattung Mensch für sein Imperium. Er macht Marie schnell klar, dass jeder Verstoß gegen seine Regeln ihr Leben kostet. Außerdem bedroht er ihre Familie, um sie unter Druck zu setzen.

Jeweils zwei Donnerstage im Monat wird Marie in seinem Etablissement gebadet und von Kosmetikerin zu einer eleganten Frau hergerichtet. Ihre Aufgabe ist es, die Bordellzimmer am Computer zu überwachen und nach Ende der Aktion aufzuräumen. Den Rest der Zeit muss sie weiter als Obdachlose auf der Straße leben.

Der Schriftstil des Buches lässt sich gut lesen. Gekonnt wird das Machtbewusstsein des Monsieur Mondieu herausgearbeitet. Obiges Zitat wirft ein Schlaglicht auf sein Denken und seine Überheblichkeit gegenüber seinen Untergebenen. Detailgenau wird Maries Weg durch Paris nachgezeichnet. Sie wechselt stetig von einer Brücke zur anderen. So lerne ich als Leser die Brücken von Paris kennen. Die Gefahren des unsteten Lebens, die Kälte des Winters, die Suche nach Nahrung und Wasser bestimmen das tägliche Leben. Dabei hat Marie auch eine ungewöhnliche Idee, zu Geld zu kommen. Welche, möge der zukünftige Leser selbst herausfinden. Eines aber hat Marie trotz aller Widrigkeiten nicht verloren: ihre Selbstachtung. Dass macht sie auch ihren Arbeitgeber deutlich, als sie sich die Anrede mit „du“ verbietet. Hinzu kommt, dass die Beschäftigung mit ihrem Traum, einem kleinen Gartenhäuschen, ihr hilft, vieles von dem, was auf den Bildschirmen geschieht, wie durch einen Schleier zu sehen.

Der Spannungsbogen wird hochgehalten, weil nicht klar ist, was nach 5 Jahren passiert. Solange geht Maries Dienstverhältnis. Sie ahnt, das sie vorher reagieren muss. Als plötzlich in einem der Zimmer ein fünfjähriges Kind als mittel zum Zweck auftaucht, reift in ihr ein raffinierter Plan. Zielstrebig und konsequent setzt sie ihn um.

Ein besonderes Stilmittel gibt dem Buch zusätzlich Pfiff. Seit dem Zeitpunkt, an dem Marie das erste Mal ihr Arbeitszimmer betritt, hört sie zwei Stimmen. Claude wirkt vernünftig und logisch denkend. Lilille dagegen neigt zu emotionalen Ausbrüchen. Beide aber helfen Marie, ihre Arbeit fehlerfrei zu bewältigen. Doch je mehr Marie ihre Zukunft in die eigene Hand nimmt, desto mehr ziehen sich beide zurück.

Das Cover mit der Brücke passt zur Handlung.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Die ungewöhnliche Protagonistin und der ungleiche Kampf zwischen ihr und dem fast unangreifbaren Arbeitgeber sind nur zwei der Gründe dafür.