Rezension

Unglücklicher Mix

Alles Glück kommt nie - Anna Gavalda

Alles Glück kommt nie
von Anna Gavalda

Bewertet mit 3.5 Sternen

Französische Romane sind meistens etwas anders, französische Filme auch. Die meisten Filme verstehe ich nicht ... entweder, weil ich keine Französin bin oder weil ich nicht intellektuell genug bin oder gerade, weil ich intellektuell bin, eins von diesen dreien wirds schon sein. Anna Gavaldas Bücher sind auch anders, sie ist die französische Rosamunde Pilcher, nur, halt "anders" - nämlich einen ganzen Ticken anspruchsvoller. Trotzdem - oder gerade deshalb - hatte ich so meine Probleme bei "Alles Glück kommt nie". Für Gavalda wars auch nicht alles eitel Glück, denn es gab nur dreieinhalb Punkte. Der halbe Zusatzpunkt wegen der Länge. Immerhin mehr als 600 Seiten Beinaheglück.

Wie viele Leser war ich von „Zusammen ist man weniger allein“ sehr angetan. Warum nicht mehr Romane von Anna Gavalda lesen? Gesagt, getan.

„Alles Glück kommt nie“ behandelt die Lebensgeschichten der beiden Hauptprotagonisten Charles Balanda und Kate Charrington, die sich irgendwann begegnen werden. Gemeinsamer Aufhänger ist die vor kurzem verstorbene Mutter eines Jugendfreundes von Charles, die auch Kate kannte, und die ein ganz besonderer Mensch war.

Es ist, als ob ich zwei völlig verschiedene Romane nacheinander lesen würde.

Im ersten Teil, in dem es um Charles Balanda geht, der Tiefbau studiert hat, und ein erfolgreicher Architekt geworden ist - hätte er nicht besser Architektur studiert -, liegt eine tiefgründige, jedoch zerfranste und häufig unverständliche Charakterzeichnung vor. Anna Gavalda bietet dem Leser mit kurzen Abschnitten diverse Häppchen aus Charles Gedankengut, gegenwärtigem Leben, seinen Erinnerungen: Großstädter, Workaholic, Geschäftsreisen, drohendes Burnout, emotionale Erschütterungen, soziale Probleme, unverarbeitete Kindheit.

In zweiten Teil wird die Lebensgeschichte Kate Charringtons ausgebreitet, das Zerfaserte verschwindet, doch zum Vorschein kommt ein Rührstück !

Obwohl ich die Beweggründe des männlichen Protagonisten nie verstanden habe noch seine Gedankengänge richtig nachvollziehen konnte, habe ich den ersten Teil mehr honoriert, da der Versuch, den komplizierten Charakter Charles auszuloten, deutlich erkennbar war.

Im zweiten Teil hat Anna Gavalda jedoch die Kurve für eine zweite, diesmal die weibliche Charakterzeichnung nicht bekommen oder sie ist der Versuchung erlegen, dem Leser doch noch reichlich französische Idylle mit eingebautem schrägen Happyend zu bieten, was ja ein bisschen gavaldasches Markenzeichen ist.

Fazit: Charakterstudie und provinzielles Rührstück zusammen geht gar nicht.

Kategorie: Unterhaltung,Verlag: Fischer Verlag, 2010, 4. Aufl.