Rezension

Unschärfen

Seemann vom Siebener -

Seemann vom Siebener
von Arno Frank

Bewertet mit 4 Sternen

Ein Flimmern in der Luft. Der Blick durchs Wasser. Die Vergangenheit, die Gegenwart und ja, auch die Zukunft. Alles ist unscharf an diesem Tag im Schwimmbad von Ottersweiler. Und das ist richtig gut, größtenteils.

Arno Frank lässt in „Seemann vom Siebener“ die Erinnerungen an die Kindheit hochleben. Freibadpommes und Flutschfinger. Arschbomben und Sandkuchen. Bienenstiche und … okay, Daddelautomaten gab es bei uns nicht. Aber trotzdem schafft er es locker, eine Atmosphäre zu schaffen, die vielen Leser:innen vertraut vorkommen wird.

Im Schwimmbad, gelegen in der Pfälzer Provinz, treffen alle aufeinander. Eine frühere Lehrerin, deren Mann das Bad entworfen und gebaut hat. Ihre Schüler, mittlerweile selbst irgendwo um die 40. Teils weit gereist, teils dortgeblieben. Der Bademeister, damals wie heute in Dienst und Schlappen. Die heutige Jugend, ein Geschwisterpaar und ein paar ihrer Mitschüler. Und zwei Vorfälle, die die meisten der Besucher:innen verbinden, und dennoch – das ist kein Spoiler – eher vage bleiben.

Zwei Sachen machen richtig Spaß: Arno Frank hat hier einige spannende Figuren geschaffen, die gar nicht so sehr aus der Welt gefallen sind. Der Weitgereiste, nach langer Zeit zurück in der Heimat. Die Jugendliebe, frisch verwitwet, aber darüber nicht traurig. Die tumbe Tagesmutter, nah an den Parolen der AfD gebaut. Der Bademeister, der ein Trauma nicht überwunden hat. Die Dame im Kassenhaus, die aufgrund eines Alkoholproblems ihren Job in der Sparkasse verloren hat. Die Frau des Schwimmbadarchitekten, oft verloren in Tagträumen und Erinnerungen. Die Schwester, die an diesem Tag Großes vor hat. Und – die zweite schöne Sache – das alles verdichtet in nicht einmal einen Tag, in ein paar Stunden von kurz vor der Freibadöffnung bis in den Nachmittag hinein.

Die Unschärfen von Franks Roman liegen auch in dem, was zwischen den Zeilen geschieht. Einem Geheimnis, den die Leser:innen vielleicht auf die Spur kommen. In den Verbindungen zwischen den Figuren. Allerdings: Für das große Ganze hätte es, muss man leider sagen, auch nicht jede Figur, nicht jede Geschichte gebraucht. Vielleicht. Vielleicht ist auch eine nicht zu Ende erzählte Geschichte Teil des heißen Tags, der flirrenden Hitze und wohltuenden Kühle am Ende eines Sommers in Ottersweiler, die dafür sorgt, dass Leute sich wiedersehen und das Bad mit Leben füllen.

„Seemann vom Siebener“ ist eines dieser Bücher, die mit gutem Gewissen und Vorfreude in die Sommerurlaubstasche gepackt werden können, aber auch schon jetzt, im langsam beginnenden Frühling, schon Lust machen auf einen langen, heißen Sommer und – vor allem – an die Erinnerungen an die eigene Kindheit und Jugend, so unscharf diese mittlerweile auch sind.