Rezension

Verwunschen düster verrückt - Wunderbar!

Gormenghast / Der junge Titus - Mervyn Peake

Gormenghast - Der junge Titus
von Mervyn Peake

Bewertet mit 5 Sternen

Peake schafft hier eine Welt die abseits von allem steht. Die Einsamkeit und die Herzlosigkeit in Gormenghast sind spürbar. Man braucht nur zu blinzeln und schon ist man mitten in diesem Kosmos gefangen. Als Leser folgt man mehreren Figuren, so lernt man die ganze Herrscherfamilie kennen und vor allem Steerpike der als Junge aus dem Nichts kommt und Macht anstrebt- schlau wie er ist und vor allem eiskalt und berechnend,  arbeitet er sich nach oben. 

Eine sehr düstere und zeitweise fast schon trostlose Stimmung wird hier aufgebaut. In dieser Welt wird Titus geboren. Der Erbe von Gormenghast. Erschreckend wie herzlos seine Familie darauf reagiert. Seine Mutter gibt ihn an eine Nanny und beschäftigt sich dann wieder mit anderen Dingen. Sie findet ihn lästig. Und seine Schwester... seine Schwester hat genau die gleiche Herzlosigkeit erfahren und das merkt man bei jeder ihrer Handlungen. Sie ist selbstsüchtig und auf sich fixiert. Aber was kann man erwarten? 

Jede der Figuren hat ihren eigenen Charme. Obwohl es eigentlich keine gibt die man richtig mögen kann...Titus ist obwohl er ein Baby ist ja die Hauptfigur die der Leser durch den Titel erwartet. Aber er ist hier eben ein Baby um das sich alles dreht der aber eher im Hintergrund bleibt. Die Hauptfigur ist  Steerpike, der durch seinen Ehrgeiz versucht sein Leben zu verbessern und die Macht zu ergreifen. Ich finde ihn trotzdem toll  [:breitgrins:]   aber sein Feind würde ich nicht gerne sein. Er ist eine Figur die meiner Meinung nach über Leichen gehen wird, sollte es ihm helfen eine höhere Position zu erhalten. Und Fuchsia - Titus Schwester... sie giert nach Liebe, denn von ihren Eltern hat sie keine erhalten und die ihrer Nanny versteht sie deshalb nicht. Dann gibt es da noch die Schwestern die nah dem Thron von Gormenghast greifen wollen. Sie haben mich in ihren Dialogen immer wieder an die Teeparty beim verrückten Hutmacher in Alice im Wunderland erinnert. *g*
Lord Groan ist in seinen Büchern vergraben und kann die Wirklichkeit nicht ertragen - so erschien es mir. Und seine Frau beschäftigt sich am liebsten mit ihren Katzen und den Vögeln.. Alles andere hat so scheint es kaum Wert für sie. 

Peake erschafft hier eine Welt die jenseits von allem ist. Jede Figur scheint in Gormenghast eingesperrt. Alles dreht sich letztendlich nur um Gormenghast mit seinen Zeremonien und merkwürdigen Gesetzen die keiner mehr so richtig versteht und durchschaut. Alles ist festgefahren und eigentlich haben alle mehr mit sich selbst zu tun und interessieren sich nur für die eigenen Belange. Andere Menschen scheinen egal und unwichtig zu sein. Herzlichkeit sucht man im Grunde vergebens. Und selbst die Liebe der Nanny für Fuchsia und Titus scheint irgendwie künstlich. 
Die Wirklichkeit hat hier keine Bedeutung, alles was nicht Gormenghast betrifft wird ausgeblendet und findet nicht statt. Die Bewohner der Festung drehen sich nur um Gormenghast und seine Gemächer. Ein enger Kosmos aus dem vor allem Fuchsia eigentlich ausbrechen möchte sie weiß nur nicht das sie das will. Ich fand ihre Darstellung sehr lebendig, vor allem weil sie als junges Mädchen anfängt wie ein Teenager zu fühlen, aber einfach nicht Recht ein ordnen kann warum sie so empfindet wie sie es tut. Sie merkt nicht einmal das sie sich vielleiht in Steerpike verliebt haben könnte, weil ihr nie jemand beigebracht hat solche Gefühle überhaupt zu erkennen. Andere Menschen als die im Schloss kennt sie ja gar nicht. Steerpike ist der erste Mensch mit dem sie nicht aufgewachsen ist. Kein Wunder also das er eine Faszination auf sie ausübt. Überhaupt schafft er es mit Leichtigkeit die Menschen in seinen Bann zu Schlagen ohne das sie es merken. Er hat ein Gespür dafür wer Manipulierbar ist und wer nicht. 

Das alles  verwebt sich nach und nach zu einer ganz wunderbaren düsteren, melancholischen Handlung die vielleicht etwas trostlos erscheint, die aber großartig beschrieben ist und unheimlich lebendig ist. Dieser erste Band hat mir jedenfalls sehr gefallen. Sätze, zum sterben schön und zu Beginn zwei Gedichte die einem auf der Zunge wie weiße Schokolade zergehen wenn man sie sich laut vorliest.