Rezension

Viele Herausforderungen und Neuanfänge - rundum gelungener Abschlussband der Schmökerserie

Kinderklinik Weißensee – Geteilte Träume (Die Kinderärztin 4) -

Kinderklinik Weißensee – Geteilte Träume (Die Kinderärztin 4)
von Antonia Blum

Bewertet mit 4.5 Sternen

1948 ist der zweite Weltkrieg zwar endlich vorbei, wirkt aber noch lange nach. Emmas Tochter Lissi hat ihr Studium der Medizin erfolgreich abgeschlossen und erhält nun den Chance, ihrer Tante Marlene nachzueifern und als Assistenzärztin an der Kinderklinik Weißensee zu arbeiten. Doch ihr Einstand gestaltet sich alles andere als einfach. Der Direktor der Klinik glaubt, dass Lissi wegen ihres nach einer Polio-Infektion deformierten Beines zu stark beeinträchtigt ist und deshalb nicht die Leistung bringen kann, die man von ihr erwartet. Lissi muss sich doppelt anstrengen, um sich zu beweisen. Auch von anderer Seite werden ihr Steine in den Weg gelegt. Und die größte Herausforderung kommt erst noch: Immer mehr Kinder erkranken an Kinderlähmung. In Lissi kommen Erinnerungen an ihre eigenen traumatischen Erfahrungen mit der Krankheit hoch. Ihre Tante Marlene plagen indessen ganz andere Sorgen. Sie und ihr Mann Max werden enteignet, im Osten Berlins wird nach ihnen sogar von der Polizei gefahndet. Sie müssen daher in den Westteil der Stadt fliehen und dort ganz neu anfangen. Dabei kommt es zu einem folgenschweren Streit zwischen Marlene und Emma, die mit den sowjetischen Besatzern sympathisiert. Ob die Schwestern sich wieder versöhnen können?

 

Die Geschichte ist unkompliziert und flüssig formuliert, liest sich ohne Anstrengung fast wie von selbst. Alles wird chronologisch erzählt. Das Cover reiht sich nahtlos in die der vorherigen Bände ein. Erneut ist ein verloren wirkendes Kind abgebildet, neugierig nähert sich ihm ein Esel. Das Bild spielt auf eine Szene aus dem Buch an. 

 

Alle Hauptfiguren hadern. Marlene trauert um ihr altes Leben an der Klinik, ihr fällt es schwer, sich mit ihrer neuen Situation abzufinden. Zudem gibt es in der Beziehung mit ihrer Tochter Katharina immer wieder Konflikte und auch der Streit mit Schwester Emma beschäftigt sie sehr. Auch Emma macht sich viele Sorgen. Das anfängliche Vertrauen in die neue politische Führung schwindet langsam. Ihr Mann, der Journalist Kurt darf seine Meinung nicht mehr offen äußern. Zudem bereitet ihr Lissis Entwicklung Kopfzerbrechen. Lissi selbst zweifelt nach einem Tiefschlag immer mehr an ihren Fähigkeiten und dann hat ihr ein Kollege auch noch kräftig den Kopf verdreht, der anscheinend mehrere Eisen im Feuer hat. Mit allen Figuren muss man einfach mitfiebern und mitleiden. Ob die Zuversicht letztendlich wieder die Oberhand gewinnt?

 

Wie schon bei den Vorgängerbänden, flogen auch beim Lesen von „Kinderklinik Weißensee - Geteilte Träume“ die Seiten nur so dahin. Sofort war ich von der Geschichte gefesselt. Es wird anschaulich klar, was das Kriegsende für die einzelnen Charaktere bedeutet, welche konkreten Auswirkungen die politischen Verhältnisse auf die Menschen hatten. Marlene muss beispielsweise tatenlos zusehen, wie sie alles verliert. Der Kinderklinik stehen kaum Mittel zur Verfügung, es fehlt nicht nur an Medikamenten und medizinischen Geräten auch das Gebäude der Klinik ist marode und sollte dringend renoviert werden. Die Mitarbeiter des Krankenhauses sind ständig im Stress und müssen oft schnell und spontan reagieren. Klar, dass das alles nicht spürbar an Emma, Marlene und Lissi vorbeigeht, deren Nerven ziemlich strapaziert werden. Noch versuchen Emma und Kurt sich mit dem neuen System zu arrangieren, was aus heutiger Sicht möglicherweise etwas naiv und unkritisch scheint, aber aus ihrer damaligen Perspektive durchaus verständlich ist. 

Auch der Abschluss der Reihe hat mich mit Haut und Haaren in die Handlung und in längst vergangene Zeiten eintauchen lassen und toll unterhalten. Ein herrlich kurzweiliger Schmöker zum Alltagvergessen. Wer fesselnde, leichte historische Romane zum Mitfiebern sucht, liegt mit dieser Reihe absolut richtig.