Rezension

Was hält Freundschaft aus?

Meine amerikanische Freundin
von Michèle Halberstadt

Bewertet mit 4 Sternen

Die - bis auf den Initialbuchstaben M namenlos bleibende - Pariser Erzählerin dieses Romans und ihre Freundin Molly aus New York sind seit gemeinsamer Tätigkeit in der Filmbranche zu engen Freundinnen geworden. Eines Tages fällt Molly nach einem Gehirnaneurysma ins Koma. Verrückt vor Sorge, schreibt M am Computer eine Art Tagebuch, das sie später Molly zum Lesen geben will und das Gedanken über ihre Freundschaft sowie das eigene alltägliche Leben enthält. Nach drei Monaten wacht Molly auf, halbseitig gelähmt, mit eingeschränktem Gedächtnisvermögen und veränderter Persönlichkeit, ohne Lebensmut. Ob M die Freundin ins Leben zurückholen kann?

 

Dieser Roman umreißt im Wesentlichen zwei Themenkomplexe. Zum einen wird sehr behutsam auf  das Thema Krankheit eingegangen, vor allem was sie indirekt für die Umgebung des Kranken bedeutet: vom Schock über die Hiobsbotschaft des Unglücks über den Kummer hinsichtlich der Diagnose bis hin zur schmerzhaften Erkenntnis, dass derjenige, den man gekannt hat, nicht mehr derselbe ist. Das ist eine Situation, in die jeder von uns geraten könnte und die sehr zum Nachdenken anregt. Zum anderen rückt das Thema Freundschaft in den Focus. Sehr sensibel wird über die Grenzen einer Freundschaft sinniert, an die man niemals stoßen möchte. Quer durch den Roman finden sich immer wieder passende, schöne Gedanken zu dem, was Freundschaft ausmacht. In bleibender Erinnerung ist mir etwa die Passage, in der sich M selbst so viele Antworten auf die Frage gibt, warum sie und die so andersartige Molly Freundinnen sind. Etwas störend empfinde ich, dass etwa ab der Mitte der Geschichte ein vermeintliches außereheliches Verhältnis von M’s Mann an Bedeutung gewinnt.

Der mit nur 152 Seiten recht kurze Roman lässt sich zügig lesen. Seine Sprache ist kurz und knapp gehalten. Die direkte, intensive Ansprache von Molly durch M wirkt belebend.

 

Ein Buch, das ich gerne empfehle.