Rezension

Was ist Heimat?

Jaffa Road -

Jaffa Road
von Daniel Speck

Bewertet mit 5 Sternen

Berlin, Tunis, Haifa. Stationen, die den Hintergrund für diesen Roman bilden, der von Überlebensstrategien im Teil einer Welt erzählt, in der das Zusammenleben durch politische Einflussnahme und territorialen Anspruch vergiftet wurde. Wo man Intoleranz, Wut und Hass gesät und damit das friedliche Miteinander von Christen, Juden und Muslimen zerstört hat. Wo die Welt noch immer wegschaut, wenn tagtäglich Unrecht geschieht.

„Jaffa Road“ schreibt die Geschichte des ehemaligen Wehrmachtsfotografen Moritz Reincke fort, die 1942 in „Piccola Sicilia“, dem Einwandererviertel in Tunis, ihren Anfang genommen hat, und dessen Leben und Tod untrennbar mit den drei Personen verbunden ist, die sich in der alten Villa in Palermo begegnen. Nina, seine Enkelin und Erbin, ihre jüdische Tante Joëlle und schließlich Elias, der palästinensische Sohn, von dessen Existenz niemand wusste.

Nun könnte man annehmen, dass aus dieser Konstellation ein Roman nach dem üblichen 08/15 Schema wird, in dem es darum geht, ein lange verborgenes Familiengeheimnis zu lüften. Weit gefehlt, denn die Spurensuche dieser drei Beteiligten führt die Leser*innen mitten hinein in eine krisengeschüttelte Region des Nahen Osten und erzählt von einem Leben, geprägt von Brüchen, Widersprüchen und Geheimnissen.

Der Autor macht daraus einen Episodenroman, lässt seine Protagonisten abwechselnd zu Wort kommen, zeigt die Auswirkungen des Konflikts zwischen Israel und Palästina auf das Private, in dem die Zugehörigkeit nicht nur über Familie sondern auch über Nationalität definiert wird. Dieser Wechsel der Perspektive wirkt sich positiv auf den Spannungsbogen aus, hält das Interesse der Leser*innen bei der Stange und – was bei dieser Thematik nicht unwesentlich ist – vermeidet die Parteinahme. So entsteht aus den unterschiedlichen Steinchen der Erinnerungen nach und nach ein farbenprächtiges Mosaik, dessen zentrales Thema die Frage nach Heimat ist und so Herkunft und Identität eher nebensächlich erscheinen lässt.