Rezension

Weltstadt und Provinz

Gold und Ehre -

Gold und Ehre
von Sabine Weiss

Bewertet mit 4 Sternen

Wir befinden uns im Amsterdam des Jahres 1650, mitten im Goldenen Zeitalter der freien Niederlande, wo insbesondere Kunst und Kultur eine Blütezeit erlebten. Dazu gehörte auch die Baukunst. Der junge Architekt Benjamin Aard ist eines der aufstrebenden Talente dieser Weltstadt. Er ist vielseitig interessiert, keineswegs nur an Bauwerken. Er ist auch Maler, und er betreibt auf eigene Faust wissenschaftliche Untersuchungen, z. B. über das Wetter. Sein Vater Michiel und sein älterer Bruder Daan sind ebenfalls Architekten, aber beide zieht es im Gegensatz zu Benjamin auch in die Politik. Michiel möchte in den Magistrat der Stadt gewählt werden und versucht, entsprechende Beziehungen zu knüpfen.

Eines von Benjamins Wetterexperimenten geht schief, eine Mühle kommt zu Schaden. Sein Vater ist wütend, er schickt seinen Sohn für einen Bauauftrag nach Hamburg. Benjamin ist zunächst nicht sehr glücklich über diese Entwicklung, denn der Bau, für den er nun verantwortlich ist, wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Das Verlassen seiner Heimatstadt Amsterdam fällt ihm nicht leicht. Hamburg wirkt dagegen zunächst recht provinziell auf den jungen Mann. Der Anfang ist schwer für ihn, doch als er die junge Diebin Lucia kennenlernt, ändert sich einiges. Auch Lucia ist vielseitig interessiert und intelligent, so langsam entwickelt sich eine Beziehung zwischen den beiden jungen Leuten. Aber das Abenteuer hat erst begonnen...

Sabine Weiß entwickelt eine spannende Geschichte um Bauwerke, zu denen auch der Hamburger Michel gehört. Und natürlich geht es um Liebe und um die Probleme der damaligen Zeit. Die realen historischen Ereignisse sind sehr gut recherchiert.

Der Statthalter aus dem Hause Oranien und die Regenten der freien Provinzen sollten gemeinsam die Niederlande regieren zum Wohle der Bürger. Doch die adligen Oranier und die Bürgermeister waren keine Freunde. Die Gegensätze der beiden Parteien werden im Buch ausführlich dargestellt. Als der Statthalter Wilhelm II. jung stirbt, wollen die Bürgermeister ihre Position ausbauen, der nächste Wilhelm (und potenzielle Statthalter) ist noch ein Baby. Doch die Oranier nehmen das natürlich nicht ohne weiteres hin, sie suchen nach Wegen, um die alte Macht des Adels wieder herzustellen.

Die Geschichte von Benjamin und Lucia ist eingebettet in das knisternde historische Umfeld, das geprägt ist von Handel, von Machtstreben, von Bündnissen der Mächtigen und Ohnmächtigen, von Intrigen und Verrat und von ernsthafter Kriegsgefahr. Vor diesem aufregenden Hintergrund gerät die eigentliche Geschichte, die ja fiktiv ist, manchmal etwas in den Hintergrund. Für mich persönlich erscheint die Story auf den letzten 200 Seiten etwas zu gedrängt. Während die ersten 450 Seiten einen Zeitraum von etwa zwei Jahren umfassen, werden auf den letzten 200 Seiten gut 20 Jahre behandelt. Die dadurch entstehenden Sprünge behindern den Lesefluss ein wenig. Meiner Ansicht nach hätte die Darstellung hier ausführlicher sein müssen, auch wenn das Buch dadurch etwas umfangreicher geworden wäre.

Für historisch interessierte Leser ist das auf jeden Fall eine spannende Lektüre, die bildhafte und eindrucksvolle Sprache der Autorin vermittelt auch einen guten Eindruck vom Leben in den Städten Amsterdam und Hamburg. Ein paar Grundkenntnisse der niederländischen Geschichte sind aber durchaus von Vorteil. Eine kleine historische Einführung zu Beginn des Buches wäre wünschenswert, ist aber nicht vorhanden. Ein Personenverzeichnis ist zwar vorhanden, aber es ist nicht vollständig. Viele bedeutende Personen werden nicht erwähnt. Aus meiner Sicht ist es gute Unterhaltung auf hohem Niveau, die an einigen Stellen allerdings verbesserungswürdig erscheint.