Rezension

Wenig Substanz

Cox
von Christoph Ransmayr

Bewertet mit 3 Sternen

Mitte des 18. Jahrhunderts reist Allister Cox, der berühmteste Uhrmacher und Maschinenbauer seiner Zeit zusammen mit drei seiner besten Mitarbeiter nach China. Als erste Europäer überhaupt dürfen sie die "Verbotene Stadt" betreten, die Residenz des Kaisers, die sonst nur hohen Würdenträgern und engsten Vertrauten des Kaisers zugänglich ist. Was genau ihr Auftrag ist, wissen sie noch nicht.

Der Einstieg in diesen Roman klingt äußerst vielversprechend. Und die Reise des Engländers Cox ist auch noch in einer wunderbar leichten, träumerischen, Sprache geschrieben, die Cox erste Eindrücke von China fast surreal wirken lässt. Die Flussläufe die auf Wunsch des Kaisers umgeleitet wurden, hunderte Menschen und Ochsen, die tagelang die ganze kaiserliche Flotte über unschiffbare Stellen ziehen, Feuerwerke zu seinen Ehren abfeuern und an Erschöpfung sterben. Die Größe Chinas und die unglaubliche Machte des Kaisers kommen bestens zur Geltung.

Auch über Cox erfahren wir ein wenig. Der trat die weite Reise nämlich nur an, weil seine über alles geliebte kleine Tochter an Keuchhusten starb und seine junge Ehefrau über die Trauer verstummt ist, sich von ihm nicht mehr berühren lässt.

Es sind so wunderbare Voraussetzungen für einen spannenden Roman, dass die Enttäuschung umso größer wurde, je weiter die Geschichte voranging. Da ist eine intelligenter, kreativer Kopf, der eigentlich nichts mehr zu verlieren hat in einer unglaublichen Stadt, voller Geheimnisse, Intrigen und Fremdartigkeit und was passiert? Nichts. Er wartet einfach ab, dass er seinen Auftrag bekommt. Und er bekommt ihn. Und er setzt ihn um. Kaum ein Blick nach draußen, kaum ein anderer Gedanke, als seine Arbeit. Die Weite und Vielfältigkeit des Landes, die mich am Anfang des Romans so begeistert hat, gerät in Vergessenheit und wir sitzen lieber in einer kleinen Werkstatt, weit ab von der "echten" Welt. Selbst die betörende Schönheit aus dem Gefolge des Kaisers bietet nur eine Vorlage zu Gedankenspielen, aber passieren tut nichts. Ja, auch von drakonischen Strafen wird berichtet, die bei Zweifeln an der Kaisertreue schnell vollstreckt werden können. Aber in dem Setting, das Ransmayr entwirft, reicht eine Handlung, die nur aus Uhrenbau und philosophischen Gedanken besteht einfach nicht aus. Es schreit quasi nach Abenteuer, bekommen tut man nur Langeweile. Das ist sehr schade, auch weil Ransmayr wirklich klasse schreibt.

Ich würde den Roman Lesern empfehlen, die eine Vorliebe für das alte China haben und an den vielen Informationen über Kaiser Quianlongs Herrschaft vielleicht Freude finden. Oder Lesern, die philosophische Gedanken über die Zeit mögen. Mehr steckt in diesem Roman trotz seiner schönen Verpackung und dem wunderbaren Ton leider nicht drin.