Rezension

Wenn der Puls selbst beim Schreiben der Rezension hochgeht ...

GötterFunke 01. Liebe mich nicht - Marah Woolf

GötterFunke 01. Liebe mich nicht
von Marah Woolf

Bewertet mit 1 Sternen

Eigentlich habe ich schon vor diesem Buch festgestellt, dass Marah Woolf nicht meine Autorin ist, aber wie so viele bin auch ich nicht vor dem guten alten Buch-Hype gefeit. Ich habe mir gedacht: Irgendwo müssen diese ganzen guten Bewertungen ja herkommen, oder? Vielleicht gibst du dem Buch doch mal eine Chance. Ich kann mir aber auch nach Lesen des Buches einfach nicht erklären, wo derartig viele gute Bewertungen herkommen. Die Leser müssen ein völlig anderes Buch gelesen haben als ich, denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie dieses Buch eine durchschnittliche Bewertung von 4,6 Sternen (!!!) auf Amazon haben kann. 4,6! Für mich schrammt es nicht mal die zwei Sterne an.

Wo soll ich nur anfangen? Vielleicht erstmal mit etwas Positivem. Ich finde es super, dass es hinten im Buch einen Stammbaum der griechischen Götter und ein Glossar gibt, das einem die wichtigsten Informationen zu Figuren und Orten wie dem Tartaros zusammenfasst. So kann man nochmal etwas nachlesen, sollte nach Beenden des Buches noch etwas unklar geblieben sein (was ich mir durchaus vorstellen könnte, denn manches wird schlichtweg verwirrend erzählt). Zuvor sollte man das jedoch vermeiden, da man sich sonst definitiv spoilert (wobei das eigentlich auch egal ist, denn überraschende Wendungen sucht man hier vergeblich).

So viel zum Guten. Leider muss ich sagen, dass ich von Anfang bis Ende die meiste Zeit genervt war. Das gute alte Augenverdrehen war mein ständiger Begleiter, das fing schon ganz früh an, als sich die ersten Klischees häuften. Ein gewöhnliches Mädchen mit einer ganz und gar nicht gewöhnlichen, reichen, wunderschönen besten Freundin trifft auf einen unverschämt gutaussehenden Jungen, der insgeheim ein Titan ist. Prometheus, um genau zu sein.

»Blieb die Frage, warum ein Junge wie er sich ausgerechnet für mich interessierte.« (S. 73)

Antwort: Unser gewöhnliches Mädchen ist so anders als alle anderen, etwas ganz Besonderes, wie ihr nicht nur von Prometheus alias Cayden attestiert wird, sondern selbstverständlich auch von den anderen Göttern. Apoll hat selten ein so tapferes und kluges Mädchen wie sie getroffen. (Was ziemlich übel ist, wenn man bedenkt, wie sie sämtliche Gehirnzellen einbüßt, sobald Cayden auch nur in ihre Richtung atmet.) Nach diesem schicksalshaften (!) Zusammentreffen folgt ein einziges Hin und Her zwischen „Warum mag er mich nicht?“ und „Der kann mir gestohlen bleiben“, wobei letztere Einstellung jedoch immer nur eine einzige Buchseite Bestand hat und dann ganz flüssig wieder in „Warum mag er mich nicht?“ übergeht. Das hat bei mir kein freudiges Mitfiebern ausgelöst, sondern Bluthochdruck.

»Gibt es etwas, was du mir erzählen möchtest? Ich dachte, du kannst ihn nicht mehr leiden.« (S. 101).

Das ist es, was ich mir ungefähr zu 99% des Buches gedacht habe, denn Jess wechselt – wie schon gesagt – im Minutentakt von „Ich bin fertig mit ihm“ zu „Ich schmelze bei jedem Blödsinn, den er von sich gibt, dahin“. Wie man sich als Leser nicht darüber aufregen kann, ist mir absolut schleierhaft. Ich habe jedes Mal die Augen verdreht, wenn sie ihm wieder die Schuhe vollgesabbert hat, nur weil er seine Finger nicht bei sich behalten kann und ihr dauernd im Gesicht herumfuchteln muss, obwohl er sie noch gar nicht lange kennt.

»Ein bisschen Würde wollte ich schon noch behalten, schließlich war ich kein liebeskrankes Huhn und würde mich einem Mann niemals so an den Hals werfen, wie Melissa es gerade tat.« (S. 121)

Den Satz musste ich erstmal sacken lassen, weil der ja eigentlich nur ironisch gemeint sein kann. Jess hat den lieben langen Tag nichts Besseres zu tun, als Cayden hinterherzuhecheln (ganz egal, wie widerlich er sich benimmt) – und gleichzeitig ist sie so gütig, ihn jedes Mal darauf hinzuweisen, wenn er sich gegenüber seiner Mitmenschen unhöflich benehmen sollte (weil er das erst von ihr gesagt bekommen muss, damit ihm das auch bewusst ist). Der arme Kerl darf nicht mal anständig auf seinen Vater sauer sein, ohne sich von Jess anhören zu müssen, dass er „nicht besonders höflich zu ihm“ ist. Ist sie seine Gouvernante? Darf er seinem Vater nicht mal ordentlich eins mit der Schaufel überbraten, ohne dass Jess ihm sagt, wie unhöflich das ist? Mensch! Und die wunderbare Doppelmoral, die kurz darauf folgt:

»Im Dunkeln soll man nicht mehr im Wald unterwegs sein. Hast du die Campordnung nicht gelesen?“, fragte er [Cameron] in seinem belehrenden Politikertonfall. „Es ist verboten und gerade wir Ältesten sollten uns an die Regeln halten.“ Das war so typisch für ihn. Bloß nichts falsch machen.« (S. 116).

Ich habe wirklich selten aus der Sicht einer so nervigen Protagonistin gelesen. Jedes Mal, wenn man sich denkt, dass sie doch jetzt endlich mal ihren ganzen Stolz zusammenkratzen und Cayden abhaken müsste, heißt es doch nur wieder „Cayden hier, Cayden da“. Und während ihre beste Freundin Robyn als selbstsüchtige, eifersüchtige Zicke bezeichnet wird, darf sie selbst mit eifersüchtigen Bemerkungen à la „Geh doch zu Robyn, du bevorzugst ihre Gesellschaft doch sowieso“ um sich werfen. Wenn sie das ein einziges Mal machen würde, könnte ich damit leben, aber so geht es die ganze Zeit.

»Cayden hatte sich die ganze Nacht in meinem Kopf breitgemacht. Ich verstand nur nicht, weshalb. Er war nett zu mir, aber das war er zu vielen Mädchen.« (S. 122)

Ich denke, es hapert schon daran, dass der Klappentext einen völlig falschen Eindruck vermittelt. Prometheus alias Cayden hat eine Vereinbarung mit Zeus, nach der er ein Mädchen finden muss, das ihm widersteht, um endlich sterblich zu werden. Eigentlich eine interessante Idee, weil man es doch eher umgekehrt erwarten würde: Der Protagonist muss das Mädchen verführen, aber – Überraschung! – das ist gar nicht so leicht. Dass es hier andersherum sein soll, hat mein Interesse geweckt – im Nachhinein frage ich mich aber, ob diese Idee wirklich Potential hat. Worin bestehen denn der Reiz und die Spannung, wenn ihm die Protagonistin Kontra gibt und sich nicht so leicht um den Finger wickeln lässt und das auch noch das Ziel des Protagonisten ist? Das scheint der Autorin auch klar gewesen zu sein, also hat sie Jess einfach so entworfen, dass sie Cayden zwar hier und da (schwach) Kontra gibt, sich gleichzeitig aber MÜHELOS von ihm um den Finger wickeln lässt, ohne dass dieser sich überhaupt dafür anstrengen muss. Weil so ja alles viel mehr Sinn ergibt!

Der Klappentext vermittelt also ein völlig falsches Bild, denn Jess ist offensichtlich gar nicht besagtes Mädchen, das ihm widersteht (oder widerstehen soll). Und wenn das die Story ist, was tun wir denn dann hier? Die Handlung besteht eigentlich nur daraus, dass wir mit Jess beobachten, wie Cayden ihre beste Freundin Robyn anmacht – in der Hoffnung, dass sie ihm (im Gegensatz zu Jess) widerstehen kann, denn diese hat ja schließlich einen Freund. Es gibt also Eifersucht und Selbstmitleid im Überfluss, die Kirsche auf der Torte ist die gehässige beste Freundin, die Jess regelmäßig darüber informiert, dass Cayden nicht in ihrer Liga spielt (das gute alte Bodyshaming ist also auch mit von der Partie). Dass es gegen Ende dann doch ein bisschen (!!!) interessanter wird, weil endlich ein Bösewicht auf der Bildfläche erscheint, kann diese Katastrophe von einer Geschichte aber auch nicht retten, denn letztendlich sind Jess‘ Gefühle für Cayden das Allerwichtigste – und damit wir das nicht vergessen, werden sie in jedem zweiten Satz erwähnt.

Ich könnte mich jetzt noch lang und breit darüber auslassen, wie frauenfeindlich manche Darstellungen von und Bemerkungen über bestimmte (Robyn, Melissa) oder auch unbestimmte Figuren sind (z.B. wenn Hermes das Wort ergreifen darf), aber wenn ich es recht bedenke, ist ja schon die Ausgangssituation – dass es jahrhundertelang nicht eine einzige Frau gegeben haben soll, die Cayden widerstehen konnte – etwas kritisch zu sehen. Also selbst schuld, was?

Fazit

Ich kann dieses Buch nicht weiterempfehlen. Nutzt eure Zeit sinnvoller, hortet Klopapier oder starrt Löcher in die Luft. Ich vergebe nur selten einen einzigen Stern, aber hier wäre jeder weitere zu viel.