Rezension

Wer übt Rache?

Nebel im Aargau -

Nebel im Aargau
von Ina Haller

Bewertet mit 5 Sternen

„...Eine Idee nahm in seinem Kopf Gestalt an. Ja, das würde er tun. Die Tat würde nicht ungesühnt bleiben. Er senkte der Kopf und betrachtete das Grab...“

 

Bei diesen Worten aus dem Prolog stellte ich mir sofort die Frage: Wer plant hier was? Das „Was“ wurde schnell beantwortet, mit dem „Wer“ ließ mich die Autorin fast bis zum Schluss im Unklaren.

Im Kanton Aargau ist ein trüber Novembertag. Trotzdem unternimmt Enrico mit Andrina einen Spaziergang. Er ist der Meinung, dass sie während der Schwangerschaft ab und an frische Luft braucht. Plötzlich kommt ihnen eine aufgeregte Frau entgegen. In einem der Pfahlbauten liegt ein toter Mann.

Auch der neue Krimi der Autorin lässt an Spannung keine Wünsche offen. Trotzdem bleibt Zeit für das Privatleben der Protagonisten.

Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Dabei scheint immer wieder die Düsternis des Novembergraus durch. Anfangs interessiert der Tote Andrina nicht. Sie ist schon öfter über eine Leiche gestolpert und hat damit eher schlechte Erfahrungen gemacht. Außerdem gibt es im Verlag, in dem sie als Lektorin arbeitet, gerade Stress: zu viel Arbeit für zu wenig Mitarbeiter.

Die Ursachen für den Tod sind ungewöhnlich. Das einzige Indiz ist ein stark gesunkener Zuckerspiegel. Hier wird gut erklärt, wie das Zusammenspiel von Zucker, Alkohol und Insulin im Körper funktioniert.

Doch es soll nicht der einzige Tote bleiben. Andrina ist die erste, die zwischen den Fällen einen Zusammenhang vermutet. Und dann gerät ihr Kollege Lukas in den Fokus der Ermittler.

Im Verlag werden gerade Krimis lektoriert. Gekonnt werden Gemeinsamkeiten zwischen diesen Büchern und den aktuellen Fällen konstruiert.

Die Kriminalisten sind gewöhnungsbedürftig. Anstatt Andrina als Zeugin zu vernehmen, hat sie immer wieder den Eindruck, dass sie sie am liebsten verdächtigen würden. Nur Susanna macht eine Ausnahme.

„...“Dir muss nichts leidtun. Auf so eine Idee können nur Männer kommen. Und dazu so taktlos.“ Wütend starrte Susanna Marco an...“

 

Im Gegensatz dazu tauschen Andrina und Enrico ihre Eindrücke und Gedanken sachlich aus, wobei sie sich geschickt ergänzen und mögliche Motive analysieren.

Seraina, Andrinas Schwester, bringt ihre Meinung zu den Ermittlungen deutlich zum Ausdruck:

 

„...Ich werde das Gefühl nicht los, in dem Team ist einiges im Argen, und keiner weiß, was der andere tut. Ich meine, die Koordination untereinander ist mangelhaft...“

 

Der Spannungsbogen spitzt sich gekonnt zu. Andrina ahnt nicht, dass sie selbst in höchster Gefahr ist. Sie hat die falschen Fragen gestellt.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Am Ende ist keine wichtige Frage offen.