Rezension

Wundervoller Abschluss einer wundervollen Reihe

Die Unausstehlichen & ich - Die Welt ist voller Wunder -

Die Unausstehlichen & ich - Die Welt ist voller Wunder
von Vanessa Walder

Bewertet mit 4.5 Sternen

„Ich glaub, deshalb hab ich angefangen rotzusehen. Weil immer andere entschieden haben, was mit mir passieren soll. Jetzt also die größte Frage von allen: Warum fühlt es sich so schrecklich xxxxxx an, dass ich auf einmal die Wahl habe, was mit mir passiert?“

Enni steht vor einer schweren Entscheidung. Aber vorher will  sie den Saakser Geheimnissen endlich auf den Grund gehen. Warum darf ausgerechnet sie das Luxusinternat in den Bergen besuchen, auf dem abgesehen von Dante und ihr nur Kinder reicher Eltern gehen? Und weshalb existiert die Schule offiziell nicht? Um Antworten auf ihre Fragen zu erhalten, möchte sie in München die Stiftung aufsuchen, die ihr Schulgeld bezahlt. Einen Ausflug nach München würde Schulleiterin Halbach nie erlauben. Also beschließen Enni und ihre Freunde an einem Theaterwettbewerb teilzunehmen. Die Gewinner dürfen ihr Stück in München aufführen. Ob Ennis Plan aufgeht? 

 

Vanessa Walder schreibt aus Ennis Sicht in Ich-Perspektive. Und das tut sie auf unnachahmliche Enni-Art, mit messerscharfen Analysen, perfekt passenden Vergleichen und Bildern, frech und erfrischend mit Witz und Humor und natürlich mit geschwärzten Flüchen. Ein typischer Enni-Satz: „Wenn die Augen das Fenster zu Seele sind, dann hat Viola Dahlem keine Vorhänge.“. 
Ihre Geschichte erzählt Enni diesmal ihrem Vater im Gefängnis, den sie um Rat fragt. Sie schildert ihm das aktuelle Geschehen in einem Brief.

Besonderes Gespür hat die Autorin für ihre hintergründigen Kapitelüberschriften, die gleichzeitig so viel und nichts aussagen.  
Auch den letzten Band um Enni hat Barbara Korthues wieder sehr passend und prägnant illustriert, oft genügt ein kurzer Blick auf das Bild und es ist sofort klar, wie sich die Figuren gerade fühlen.
Die Reihe richtet sich an Leser ab neun/zehn Jahren.

 

Enni ist einfach Enni. Sie ist hochintelligent und klug, abgeklärt, hat viel mehr erlebt als sie sollte, anstatt einfach nur Kind sein zu dürfen. Sie weiß, wie das Leben funktioniert, beobachtet ihre Umwelt genau, ist Expertin in Sachen Gefühle anderer. Nur was die eigenen Gefühle betrifft, damit hat sie Probleme. Die kann sie nicht so klar analysieren, wie sie das sonst tut, die kann sie nicht einschätzen. Ihre eigenen Gefühle hat sie nicht im Griff. Daher sieht sie immer wieder rot. Aber Enni entwickelt sich weiter, in diesem Band ganz besonders und nicht nur, weil sie den Mut hat, Sachen von sich preiszugeben, die bisher niemand wusste. Enni steht jetzt vor einer nie dagewesenen Herausforderung. Sie darf selbst für sich entscheiden, was ihr mehr als schwer fällt.
Auch die anderen Charaktere sind einzigartig: die blinde „Eisprinzessin“ Lillith, die bisher durch besondere Härte und Unberechenbarkeit hervorstach, Dante, der im Rollstuhl sitzt, sich davon aber nicht abhalten lässt, an Gerüsten zu klettern, Karan mit seinem Riesen-Körper, der „falsch verpackt“ ist, Lucky, bei dem der Name Programm ist und Mattis, der nichts so sehr hasst, wie als schwach angesehen zu werden. Sie alle sind für Enni mehr als Freunde geworden. Selbstverständlich tauchen auch wieder einige alte Bekannte auf, manche davon ziemlich überraschend. 

 

Was hat es nun mit dem Saakser Internat genau auf sich? Wer ist Dantes Vater? Wer zahlt Ennis Schulgeld? Und wie wird es für Enni weitergehen?  
Was die bisherigen Bücher auszeichnet, wird auch in „Die Welt ist voller Wunder.“ fortgesetzt. Der neue Band ist derart spannend und voller mysteriöser Geheimnisse, dass es unmöglich ist, das Buch aus der Hand zu legen. Wie ein Krimi ohne Mordfall, aber mit extra vielen ungelösten Rätseln und dazu ganz vielen Wundern, allen voran dem Wunder von der Kraft und der Macht außergewöhnlicher Freundschaft. Selten hat mich ein Buch, das Schicksal einer Figur so mitgerissen und so berührt. Die Gefühle fuhren beim Lesen Achterbahn, sogar das ein oder andere Tränchen habe ich verdrückt. Für Enni und all die anderen Kinder, die ohne eigene Schuld in kaum erträgliche, ausweglose Situationen geraten, die nie eine Wahl hatten und sich dennoch pausenlos fragen, was sie falsch gemacht haben.  

„Die Unausstehlichen und ich“ ist eine wirklich besondere Reihe. Ihr Abschluss lässt mich und meine Tochter traurig und glücklich zugleich zurück. Traurig, dass wir Abschied von den liebgewonnenen Figuren nehmen müssen, dass Ennis Geschichte nun zu Ende ist  und glücklich, dass sie genau so zu Ende erzählt wurde. Wir können die Reihe jedem nur ans Herz legen.