Rezension

Zurück in die Kindheit

Der Geschmack von Apfelkernen - Katharina Hagena

Der Geschmack von Apfelkernen
von Katharina Hagena

Bewertet mit 5 Sternen

Iris ist 33, als sie nach dem Tod der Großmutter deren Haus erbt. Lange war sie nicht mehr hier. Nun erkundet sie die Zimmer und Schränke sowie den Garten und die Umgebung aufs Neue. Dabei erinnert sie sich an all die Menschen, die sie hier in den Ferien kennen und lieben gelernt hat. Plötzlich sind die Kindheit und frühe Jugend und all die Erzählungen und Erlebnisse von damals wieder präsent.

Wie schon auf dem Cover an Hand eines Apfels angedeutet, erleben wir Leser Iris' Entwicklung von der Blüte bis zur reifen Frucht mit. Dabei spielt die Autorin, die in „Ich“-Form schreibt und ohne in Anführungszeichen stehende wörtliche Reden auskommt, mit den Worten. Zum Beispiel schreibt sie auf Seite 124 über die Tante, die Übersetzerin war: sie „ließ ein fremdes Leben nach dem anderen in einer neuen Sprache auferstehen“. Nachdem Iris Gedichte des Großvaters entdeckt hat, stellte sie fest „dass nicht nur das Vergessen eine Form des Erinnerns war, sondern auch das Erinnern eine Form des Vergessens“.

Die Autorin wirft ihren präzisen Blick nicht nur auf Menschen, deren Aussehen und Charakter, sondern deutet auch geschult auf die Besonderheiten in der Natur hin: „Auf den Blättern von Gurke und Kürbis lagen große Linsen aus Regenwasser, durch die man ihre Adern und Haare vergrößert betrachten konnte.“ (Seite 200).

Für mich war dies ein ganz besonderes Buch! Wer sich Zeit nimmt, um es zu genießen, kann die Vorteile des Vergessens entdecken (das in der Demenz der Großmutter zur Sprache gebracht wird); aber auch, wie das Erinnern an verdrängte und tief in der Seele verschlossene Erlebnisse zur Verarbeitung dieser beiträgt.

Unbedingte Leseempfehlung für Menschen, die im Roman mehr über das Leben erfahren wollen!